Cd-Besprechung

Alkaline Trio - Crimson

Alkaline Trio

Crimson

Vagrant
  Vö: 30.05.2005

Bewertung:  13 Punkte
Leserwertung:  14.3 Punkte
Stimmenzahl: 4

mor|bid (krank[haft]; kränklich; brüchig, im [moral.] Verfall begriffen)

Kein Review, kein Satz, keine Befindlichkeitsbeschreibung über das Alkaline Trio aus Chicago ohne diese Vokabel. Wie aber auch. An jeder Ecke, Note und Silbe steckt es drin, dieses dem Tode nahe Krankhafte, das das Alkaline Trio so besonders macht. Vor allem in den Silben. Man schaue sich allein die Songtitel Ihrer bisherigen Werke „Godammit“, „Maybe I’ll Catch Fire“, oder dem tollen „From Here To Infirmary“ an, von offensichtlicherem wie dem letzten Grabes-Cover von „Good Mourning“ mal ganz zu schweigen.

An all dem hat sich auch 2005 auf „Crimson“ nichts geändert. „Gott sei Dank!“, wenn man das sagen darf. Blutrot trifft auf Schwarz-Weiß. Und der ursprünglich geplante Titel „Church & Destroy“ hätte, so dämlich er auch klingt, dieses Album genauso gut auf den Punkt gebracht, impliziert er doch die schon immer da gewesenen Qualitäten des AK3s vom Wechselspiel zwischen Hoffnung – für die Glaubenden natürlich nur - und Zerstörung. Wobei ersteres im Kontext des Trios eh eine ganz andere Aussage hat.

„Time To Waste“ als erste Single könnte kein besserer Opener sein. Es braucht keine 60 Sekunden, schon haben sie Dich wieder in ihre Welt gesogen. Nach wachsendem Piano-Intro steht da plötzlich eine Wand, wie sie nicht viele nur mit Gitarre, Bass und Schlagzeug hinbekommen. Matt Skiba singt Zeilen wie „these creatures are waking up in these dark trees, waiting like vultures, eyes roll back turn white in time to feed, they salivate in hunger, for you and everything they need, to make a death complete…“. Das sind Bilder! “The Poison” beweist gleich drauf wieder, was man am Alkaline Trio auch immer so toll fand: Dan Andriano als ebenbürtiger Sänger. Wer weckt den Kerl immer um 5 Uhr morgens nach einer durchzechten Nacht und bittet Ihn ans Mikro? Noch toller, wenn sich beide das Teil in die Hand geben. Beweist ganz nebenbei auch, dass man keine Screamo-Kapelle sein muss, um so was überzeugend hinzukriegen. So bietet auch das Folgende nie wirklich Neues, aber auch keinen einzigen Ausfall, alles auf höchstem Niveau. Punkrock-Ohrwürmer auch mal im Mid-Tempo-Bereich, die sich – ganz der ungeahnten Größe des Dreiers entsprechend - langsam ranschleichen und auswachsen, bis weit über sich hinaus. Morbide eben, s.o. . Bis dahin wird’s aber trotzdem nicht langweilig, es gibt ja Texte zu lauschen, die das Leben so hoffentlich nicht schrieb. Offensichtlichste Ausnahme bildet da „Prevent This Tragedy“, sich widmend den „West Memphis 3“. Mit Keyboard und Streicherepik auch mal wieder unmerklich dramatisch gehalten. Sowas schreibt halt doch das Leben. Oder „Sadie“: Entpuppt sich als Quasi-Ballade, die keine ist, sondern von der Manson-Familie plaudert. Und wenn es denn mal nicht um Gevatter Tod geht, dann eben aber um seine Vorboten: „Now I spit out words. Do you see my lungs on the dancefloor?“ („I Was A Prayer“). Das ist sie vielleicht, die Quintessenz weniger von “Crimson” als von Alkaline Trio’s Werk im Ganzen: Besser die Melancholie zum Tanz bitten, solange man noch kann, als beim Auto fahren den Sonnenstrahlen ausweichen. Die Droge: Endorphin.

Ist es Voyeurismus, der das Alkaline Trio so attraktiv macht? Sich am Leid anderer ergötzen und so tun als könnte man mitfühlen? Ein kurzer Blick durchs Schlüsselloch nur, und dann nicht mehr weggucken wollen. Die Jungs sind aber auch Masochisten. Selber Schuld. Und gut so. Who said we’ve had enough?

13 Punkte (von max. 15)

Fabian Soethof29.05.2005

TRACKLIST
01. Time To Waste***
02. The Poison
03. Burn
04. Mercy Me
05. Dethbed
06. Settle For Satin***
07. Sadie***
08. Fall Victim
09. I Was A Prayer
10. Prevent This Tragedy***
11. Back To Hell
12. Your Neck
13. Smoke***
[ *** Anspieltipps ]

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