Special
Pop Up Messe
Wir Tanzen Mechanik - Die Pop Up Nachbetrachtung
Wieder einmal ist sie viel zu schnell vorbei, die POP UP Messe. Leipzigs Stammtisch der Popkultur verabschiedet sich mit einem Echo in meinem Kopf. Bei einem Kaffee am Morgen war mir noch nicht klar, was die Pop Up dieses Jahr für sich proklamierte zu sein. Eine Bestandsaufnahme der deutschen Independent-Landschaft? Kann schon sein. Ein Treffen gleichgesinnter Musikverrückter? Das ist, dank der Qualität der gebuchten Bands eindeutig mit ja zu beantworten. Ein differenzierter Blick vom Ort des Geschehens.
Um es mal vorwegzunehmen: Die POP UP war kein Auflauf von Röhrenjeans, Stoffbeuteln und Nerd-Brillen. Obwohl die Hipster natürlich auch präsent waren, aber dank anderer Leute nicht auffielen. Somit war ich erleichtert, denn im Vorjahr bahnte sich eine Übernahme der modisch bewussten Szene an.
Die Messe
Erstmals konnten Aussteller sich dieses Jahr zwei Tage lang präsentieren. Und das neue Angebot der Veranstalter wurde sehr gut genutzt. Die Entscheidung der Organisatoren wieder in das angestammte Gelände des Werk II, im alternativen Stadtviertel Connewitz, zurückzukehren, war ein Segen. Letztes Jahr war der Shuttle-Service zur Alten Messe in Leipzig eine unangenehme Strapaze und hielt sicherlich viele Gäste ab. Auch dieses Mal gab es mehr Anfragen von Ausstellern als Platz in der Halle. Dass sich die Pop Up scheinbar auf die altbewährten, das heißt schon im letzten Jahr bevorzugten Aussteller, eingeschossen hat, ist einerseits gut, andererseits fragwürdig. Meiner Ansicht nach glichen viele Stände den Vorjahrespräsentationen. So entdeckte ich nicht viel Neues und traf viele alte Bekannte. Für eine vitale Musik-Szene, wie sie Deutschland besitzt, sollte auch die Pop Up repräsentativ stehen. Und dazu gehört auch ein gewisses Maß an Fluktuation. Aber sicher kann man den Organisatoren keinen Vorwurf machen, da die Auswahlkriterien nicht für jedermann ersichtlich sind.
Dennoch hatten sich viele Aussteller, unter denen wieder Labels wie Sinnbus Records oder Sweet Home Records, Bookingagenturen wie Book`N´Roll, Vertriebe wie Broken Silence und alles rund um die Vermarktung, Verwertung und Bewertung von Musik und Popkultur präsent waren, Mühe gegeben ihrem Stand ein wenig Flair zu verschaffen. So lotete die Pop Up dieses Jahr zum ersten Mal einen Preis für den schönsten Stand aus. Das Hamburger Plattenlabel Audiolith nahm den Goldenen Bauzaun“ verdient entgegen. Ihr Stand mit Heuballen und Liegestühlen gehörte wirklich zu den einfallsreichsten der Messe.
Für Neulinge bot die Messe einen guten Überblick und sicher vielfältige Angebote. Zwischen vielen DIY-Gruppen, die aus Freundschaften oder einer Idee entstanden, schrecken einige offensichtlich mit Kalkül gegründeten Firmen mit ihren teilweise blutarmen Präsentation sehr ab. Dort herrscht eine große Diskrepanz, die mir persönlich noch ein wenig auf den Nägeln brennt.
Die Foren
Erstmals wagte ich dieses Jahr einige Foren zu besuchen. Letztes Jahr brachte ich es nicht fertig, mir den theoretischen Freitod zu geben. Aber die Themen waren wie immer sehr gut durchdacht und ich war auf anregende Diskussionen gespannt. Am Samstag stand die große Frage nach Authentizität von Künstlern im Raum (bzw. im Zelt, da die Diskussionen in einem Zelt stattfanden). So schwierig wie das Wort Authentizität für Moderator Stefan Mühlenhoff und seine Gäste auszusprechen war, entwickelte sich auch die Diskussion. Als sozusagen lebendes Beispiel für eine Kunstfigur, die das Gegenteil zum authentischen Künstler darstellt, war der Berliner Rummelsnuff geladen. Für alle, die Rummelsnuff nicht kennen: Schon in der DDR war der Berliner als Künstler aktiv. Seine Musik schwankt zwischen Techno, Chanson und morbidem Quatsch. Auffälliger als seine Musik sind allerdings seine Erscheinung und die Ästhetik seiner Videos. Glatzköpfig und ein muskelbepackter Körper, eine Mischung aus Onkel Fester (aus der Adams Familiy) und Schwarzenegger. Und eine Romantik zwischen Deutschtum und Matrosengeschichten. Also sehr kontrovers. Eigentlich der perfekte Gast.
Rummelsnuff performte also ein französisches Lied und setze sich danach schnaufend auf seinen Platz, um gleich klarzustellen, dass Rummelsnuff eigentlich nur er selber sei. Na super, also das wars dann mit der Kunstfigur. Moderator Mühlenhoff bekam im Verlauf auch nicht mehr viel aus dem recht wortkargen Rummelsnuff heraus. Die anderen Gäste, unter anderem Thorsten Seif, Manager von Deichkind und Mitbesitzer von Buback Records und der Musikwissenschaftler Dr. Ralf von Appen stellten lediglich ihre Sicht der Dinge dar. Eine Aneinanderreihung von Monologen. Und letztlich entstand der Konsens, dass jeder Künstler, solange er glaubhaft ist, auch Authentizität transportiert. Rummelsnuff nippte zum Abschluss noch einmal sehr glaubhaft an seinem Bier.
Ein weiteres Forum konnte ich leider nicht besuchen, dafür begutachtete ich die Pop Up Couch. Dort wurden im Stundentakt verschiedene wichtige Menschen, wie Lars Lewerenz, Gründer von Auudiolith aus Hamburg, in einem Boxring befragt. Zu einem echten Schlagabtausch kam es nicht, aber Lewerenz äußerte sich erstaunlich seriös zu seinen Vorstellungen, wie ich es von dem Spaßmucke-Label nicht erwartet hatte. Aber Lewerenz ist ein Mann voller Ideen, der die eingeschlafene Label-Landschaft auf den Kopf stellt und dazu gehören auch krude Ideen, wie die Dorf-Tour von Audiolith-Künstlern. „Wenn man Musik auf T-Shirts drucken könnte würde ich es machen“, so sieht Optimismus und Kreativität aus.
Das Festival
Wie immer war die Qualität der gebuchten Bands erste Sahne. Schon allein der Anblick des Line-Ups sorgte für erste Begeisterungsstürme. Nachdem ich leider am Freitag keine Konzerte ansehen konnte, freute ich mich umso mehr auf den Samstag. Die eigentlich undankbaren Messe-Gigs waren auch diesmal, nunja, undankbar. Zuschauer kamen und gingen, so dass nie wirklich Stimmung aufkam. Bei „Missent to Denmark“, die den Messe-Block an Konzerten abschlossen, war es dann doch ganz gut gefüllt. Die fünf Bayern machten ihren an Radiohead angelegten Rock sehr gut und überzeugten live. Ausladende, fast pathetische Indierock-Musik: Mehr als ein Geheimtipp.
Der Abend sollte mit dem Hauptact Wolf Parade enden und eigentlich spürte man, dass alle Besucher auf dieses Konzert hinfieberten. Ein Abstecher in das vom Kino in einen Konzertsaal umfunktionierte UT Connewitz. Arms & Sleepers lieferten Post Rock, der mit perfekt abgestimmten Visuals eine Gänsehautstimmung verbreitete. Ein wenig erinnerte der sphärische Ansatz der Band an The Notwist. Das Publikum feierte die Band und schwelgte in deren Soundeskapaden.
Im naheliegenden Werk II war es dann nach unzähligen Umbaupausen und Verschiebungen soweit: Wolf Parade aus Kanada betraten die Bühne und da schon der erste Dämpfer der Euphorie: Die Halle war nur halb gefüllt. Wo waren die musikbegeisterten Indie-Jungs? Wo die Leipziger Szene? Der halbleere Saal gab mir Rätsel auf. Während ich nach Ursachen für die ausbleibende Besucherschar nachdachte, versuchte ein Brei von Musik sich in mein Ohr zu drängen. Den miserablen Sound der Band kann man leider nicht auf die halbleere Halle schieben. Gesang und Gitarren gingen im Bassgewitter der Bassdrum unter. Man spürte eine Unruhe im Publikum, viele hielten sich die Ohren zu. Im Verlauf des Konzerts wurde es zwar besser, aber die genialen Songs der Band blieben nur zu erahnen. Auch wenn die Zugabe wirklich nett gemeint war, so richtig wollte niemand mehr.
Zum Glück stand noch die Abschlussparty in der Ilses Erika an.
Hier blieben auch die Menschenmassen, die letztes Jahr noch um Eintritt bettelten aus. Umso angenehmer war es in dem recht engen Keller der Erika. Auf der Bühne stand eine todlangweilige Lehrer-Band, die irgendwie, ja…ähm Rock machten. An der Bar war es voller als vor der Bühne. Der krönende Abschluss, die Band Yucca, sollte aber diese Enttäuschung ein wenig mildern. Frisch, voller Energie gaben die Jungs alles und rockten mit treibendem Indie und wechselndem Gesang das Haus. Eine schweißtreibende Angelegenheit.
Zum Abschluss bleibt noch zu sagen, dass gefühlt wirklich weniger Besucher als in den letzten Jahren die Pop Up besuchten. Dennoch ist und bleibt die Pop Up in meinen Augen ein unverzichtbarer Teil der Popkultur. Eine Standortbestimmung in Leipzig. Bis zum nächsten Mal.
frank fischmann, 11.05.2010
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