Konzertbericht
Wire
Traams
Tour 2013
Hamburg - Knust
07.10.2013
Das Niedersachsenticket bis zum Anschlag ausreizend ging es aus dem südlichen Zipfel des zweitgrößten Bundeslandes nordwärts gen Hamburg. Diese Fahrt vorbei an Harz und Heide dauert annähernd vier Stunden und wird gekrönt durch einen zwanzigminütigen Aufenthalt in Uelzen. Jener Stadt also die, seitdem die Toilettennutzung am Bahnhof nicht mehr kostenlos ist, den letzten Pluspunkt leichtfertig vertendelt hat.
Wer nun an den Hundertwasser-Bahnhof denkt, dem sei versichert, dass dieser am besten aussieht, wenn man im ICE mit 160km/h daran vorbei blitzt.
Hier geht es aber zum Glück nicht um meinen Reiseführer der niedersächsischen Provinz, sondern um eine der wenigen Bands, die diese Rumeierei wert ist: Wire!
Mit Superlativen muss man bekanntlich vorsichtig sein, aber die Briten haben sich den Legendenstatus, der sie umweht, wohl redlich verdient. Die ersten drei Alben, die zwischen 1977 und 1979 entstanden, sind Meilensteine. Kritiker, Fans und Musiker sind sich hier einig.
Innerhalb dieses kurzen Zeitraumes entwickelten sie den Punk ihres Debüts „Pink Flag“ weiter zu dem Stil, den wir Post-Punk nennen und der bis heute Indie-Rock maßgeblich beeinflusst.
Wer sich nicht (nur) die drei Alben anhören möchte, dem sei die Aufnahme des Live-Auftritts im Rockpalast aus dem Jahr 1979 wärmstens empfohlen. Das Konzert fasst die Alben wie ein Best-Of zusammen und ist dabei selbst kult. Allein der Kontrast zwischen der jungen, energiegeladenen Band und dem beinahe lethargisch wirkenden Klatschfutter im WDR-Studio ist sehr unterhaltsam.
Nach dem perfekten Triple, welches wohl niemand toppen könnte, blieb die Qualität der nachfolgenden zehn Alben meist auf hohem Niveau. So erzielten auch die drei Veröffentlichungen seit 2008 überwiegend gute Kritiken.
Und schließlich muss ich erwähnen, dass die Band sich wohl in die Top 10 meiner Lieblingskünstler einreiht.
Gründe genug also um – in diesem Zusammenhang erstaunlich günstige - 23€ für eine Karte zu zahlen und das Hamburger Knust an einem Montagabend aufzusuchen.
Nachdem mein Freund, der die Karten bestellt hat, mir um 19 Uhr gestanden hat, dass wir diese noch irgendwo ausdrucken müssen, hatten wir zwei Stunden Zeit um dies noch zu erledigen. Zum Glück für unsere Freundschaft ist Hamburg groß und daher fand sich ein Internetcafé an der Sternschanze und die Sache konnte rechtzeitig erledigt werden.
Mit einer überraschend leckeren Falafel gestärkt ging es dann weiter zum Knust, wo die Vorband „Traams“ bereits spielte und die Rolle als Anheizer gut erfüllte.
Als die Bühne für Wire vorbereitet wurde, hatte ich genug Zeit mir das Publikum im nicht ganz ausverkauften Saal genauer anzuschauen. Es kommt nicht mehr häufig vor, dass ich mit meinen bald 30 Lenzen einer der jüngeren Menschen auf einer musikalischen Veranstaltung bin. Es war zu sehen, dass die Band über drei Dekaden Zeit hatte, ihr Publikum aufzubauen.
Es schienen mir durchaus ein paar Punks bzw. Fans der ersten Stunde dort gewesen zu sein.
Nach dieser langen Einleitung komme ich endlich zum Punkt: Das Konzert war richtig gut!
Nach einem etwas verhaltenen Beginn erhöhte die Band ab etwa dem fünften Song die Drehzahl schlagartig und spätestens als der erste Klassiker ein paar Tracks später angestimmt wurde, war die Menge gewonnen. Ich bin mir nicht mehr sicher, welcher Song es war, denn das Urquell gemischt mit Euphorie macht komische Dinge mit meinem Gedächtnis, aber es war wohl „Another The Letter“.
Ab jetzt hatten die fünf Briten jedenfalls alles im Griff und dem Publikum wurde eine Lehrstunde gegeben, in der vorgeführt wurde, wie man schnellen Punk mit Indie- bzw. Art-Rock verstrickt.
Die Zuschauer bedankten sich auf ihre Art mit zunehmender Tanzbegeisterung.
Und laut war es. Zum Ende hin konnte man durchaus Besucher beobachten, die sich die Ohren schützend zu hielten. Von den leider etwas leise gemischten Vocals abgesehen, war der Sound dennoch gut. Klar aufgelöst und nicht übersteuert unterstützte die Anlage die hohe Dynamik der Songs zusätzlich.
Obwohl das Konzert eine durchschnittliche Länge hatte, endete es für mich, trotz Tinnitus-Gefahr, viel zu früh. In den ersten Reihen wurde in der Zugabe immer enthemmter getanzt und meine Lust auf ein paar Klassiker, von denen zu dem Zeitpunkt etwa vier gespielt waren, überstieg ein gesundes Maß. Ich hätte mich sehr gefreut, wenn „Heartbeat“ und/oder „The 15th“ gespielt worden wären, da die beiden Songs meine absoluten Favoriten sind.
Das blieb dann auch die eine kleine persönliche Kritik an dem Konzert, welches bewies, dass die Briten noch immer so heftig rocken können wie einst 1979.
Da ich nach dem Konzert Colin Newman die Hand schütteln konnte und er mir das Schallplattencover des aktuellen Albums signiert hat, ist das aber schon wieder verziehen. Wie ein Kind, das eingeschüchtert vor dem als Weihnachtsmann verkleideten Onkel ein Gedicht vortragen soll, verspielte ich meine Chance in diesem Moment cool zu bleiben und sagte zu meinem eigenen Entsetzen mit bierseligem Pathos: "You Guys changed my perspective on music when I discovered you six years ago!"
Sich artig bedankend zog Newman schnell weiter. Leicht verschämt und völlig zu Recht zurückgewiesen blieb ich zurück. So ungefähr muss sich Uelzen fühlen.
Da ich nicht damit gerechnet habe, die Band anzutreffen, hatte ich keinen eigenen Stift dabei. Ich konnte zum Glück einen leihen.
Leider fehlen mir aber die Unterschriften der anderen Mitglieder, die zu dem Zeitpunkt nicht anwesend waren. Als wir gegangen sind, standen sie aufgereiht rauchend am Ausgang. Ärgerlich!
Merken: IMMER einen Stift dabei haben!
Auf diesem Wege bedanke ich mich noch einmal bei meinen Gastgebern, die mir eine Übernachtungsmöglichkeit und reichlich Kaffee morgens in Harburg boten.
Mark L., 09.10.2013
TRACKLIST
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