Konzertbericht

Seaport Music Festival - Seaport Music Festival

Seaport Music Festival

Seaport Music Festival

South Street Seaport, New York
12.07.2006

New York City, einen ganzen Sommer lang. Unerträgliche Hitze, Stromausfälle, Flucht an die Strände. Freude über vorhandene Klimaanlagen vs. Ärger über eben nicht vorhandene. Vereitelte Terroranschläge am Londoner Flughafen und Deutschlands Zügen - und damit Angst in New York. Oder eben doch nicht. Alltag? Trotz?

Dazu und noch viel wichtiger: Die kleinen Momente. Z. B. der Straßenmusiker, der sich spät nächtens neben mich in die fast leere U-Bahn setzt und beginnt, das wundervolle „Jesus etc.“ von Wilco zu spielen. Passend dazu: Josh Ritter, der auf einem Konzert am East River (Open Air) an einem traumhaft schönen Freitagabend seine noch neue CD „The Animal Years“ vorstellt, die genau so sei, wie seine Band: Small, irgendwie schnuckelig, aber eben auch: Gorgeous. Und das Tollste: Man könne das Album ganz bequem, ohne zu befürchtende Unannehmlichkeiten durch böses Securitypersonal, mit ins Handgepäck eines Flugzeuges nehmen. Keine Selbstverständlichkeit in diesem Sommer 2006. Und dennoch wird man das Gefühl nicht los. Alles wie immer. Mit Sicherheit. Aber einem großen Unterschied: Ich bin dabei! Und, ja, eine ganze Menge Rock-Musik.

Zu den Highlights sicherlich zu zählen: Das Seaport Music Festival, das über Wochen hinweg die Massen an den South Street Seaport zog und mit immer neuen tollen Bands aufwartete. Gratis, wohlgemerkt.

Den Blick auf Brooklyn bzw. die gleichnamige Bridge, davor die Bühne, flankiert von einem alten Segelschiff und meist: einem unvergesslichen Sonnenuntergang. Aufspielend, meist Freitag abends, um das Wochenende einzuläuten, unter anderem: Hot Chip, Josh Ritter (wie erwähnt), die New York Dolls, Ted Leo & The Pharmacists und The Spinto Band (aus Schweden. Nein, aus Delaware!).

Die befreit aufspielenden Hot Chip begeisterten uneingeschränkt. Kein Wunder, bei derartigen Vorschusslorbeeren, die aus London über den großen Teich rüberschwappten. Die Vorband Oppenheimer wird man auch nicht zum letzten Mal gesehen haben. Josh Ritter machte so ziemlich alles richtig.

Die wiedervereinigten New York Dolls bzw. das, was von der Originalbesetzung noch übrig blieb (David Johanson und Sylvain Sylvain, die anderen 3: R.I.P.!), konnten an „ihrem“ Abend nichts falsch machen: Ganz New York schien gekommen, um die alten und bekanntesten Punk-Söhne der Stadt noch einmal live zu sehen. Sprichwörtlich alles im Alter von 8 bis 88 war zugegen. Nicht selten hörte man begeisterte Mütter ihren nur halbwegs interessiert zu scheinenden Kindern ins Ohr brüllen: „Mommy loves this sooong!“ Ein unvergesslicher Abend! Über die Schwächen der Band und des Comeback-Albums sei an dieser Stelle fairer Weise geschwiegen.

Ted Leo und die Spinto Band fielen leider etwas dem Wetter zum Opfer, zeigten aber trotzdem, was man an ihnen liebt.

Wie’s weiterging? Urplötzlich fand sich in der Woche nach Abschluss der Konzertreihe am South Street Seaport das 100 Jahre alte, belgische und vor allem dem Haldern-Festivalgänger ans Herz gewachsene Spiegel-Zirkuszelt wieder. Dort zu sehen: u.a. der großartige New Yorker Comic-Zeichner und Hobby-Slackerhymnenschreiber Jeffrey Lewis und die zumindest auf Platte tolle Nina Nastasia, die inklusive ihrer Backing-Band ihr Konzert leider nahezu schlafend verbrachte.

Um zum Anfang zurückzukommen und zu den kleinen Momenten: Kaum zu glauben, im Spiegeltent Leute getroffen zu haben, die einem erzählten, vier Wochen zuvor noch im ländlichen Haldern am Niederrhein in eben jenem Zelt gestanden zu haben. So klein ist die Welt. Und so großartig New York!

Daniel Höfelmann02.10.2006

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