Konzertbericht

Der Familie Popolski - Raz, dwa, trzy, cztery!

Der Familie Popolski

Raz, dwa, trzy, cztery!

Wuppertal, Waldbühne Hardt
28.08.2010

Wir schreiben den 28. August 2010, dem Kalender nach ein Tag im Spätsommer, doch im Bergischen Wuppertal herrschen bekanntlich ganz andere meteorologische Gesetze vor. Statt strahlendem Sonnenschein begleitet von warmen Temperaturen wurden die Besucher der Waldbühne Hardt von einer wolkenverhangenen Fisselregenfront am Himmel überrascht, die am frühen Samstagabend eine unangenehme Frische mit sich brachte. Doch angesichts der mystischen Kulisse – eine Open Air Bühne umgeben von hohen Gesteinsmauern und Zuschauerrängen im Stil eines Amphitheaters – wurden solche kleinen Unannehmlichkeiten kurzerhand ausgeblendet.

Rund 1500 Zuschauer sind an diesem Abend in die Stadt, in der die Busse schweben gekommen, um sich von der Mischung aus Pop-Musik, Polka und zielsicherer Comedy mitreißen zu lassen. Die dubiose Geschichte um die pseudo-polnische Großfamilie dürfte mittlerweile allen Zuschauern des späteren Abendprogramms des WDRs seit 2008 bekannt sein, falls nicht, gibt es sie für alle Unwissenden hier nachzulesen.

Feucht-fröhlich gab es nach dem Intro und dem ersten Stück zur Einstimmung das berüchtigte Wodkaritual, welches erst schrittweise als theoretische Trockenübung und dann in der Praxis vollzogen wurde. Besonders die letzte Phase dieses Rituals, welches mit dem Kommando „cztery“ endete und das Wegwerfen des kleinen Plastikpinnchens nach hinten über die Schulter einläutete, muss aus der Sicht von der Bühne ein amüsanter Anblick gewesen sein.

Das sogenannte Schunkellied, welches Anfang des neuen Jahrtausends in die Hände von Anastacia geriet und von ihr unter dem Titel „I’m outta love“ zu Weltruhm gelang, verlangte dann vom bereits ordentlich eingeheizten Publikum gesellige Leistung: Reihe für Reihe schunkelten die Leute ineinander verhakt nach Anleitung von Gitarrist Mirek zum Rhythmus der Musik und zum Gesang. Doch beim Scat-Solo vom blinden Danusz, der natürlich nur rein zufällig als pseudo-polnisches Double von Stevie Wonder durchgeht, musste Bruder Pavel eingreifen. Damit die schräg verwinkelten Zuschauerreihen keinen Hexenschuss erlitten, trieb er Danusz mit einem liebevoll bestimmenden „szybko, sybko!“ an, sich etwas zu beeilen und die Leute aus ihrer unbequemen Position zu erlösen.

Nach einer guten Stunde Programm wurde dann eine kleine Verschnaufpause für die Band, aber auch das Publikum eingeläutet; um kurz vor 21 Uhr ging es dann mit dem zweiten Teil im mittlerweile erdunkelten Wuppertal weiter. Zu sehen und zu hören gab es da z.B. ein Friedensmedley aus „Wind of Change“, „Ein bisschen Frieden“ und „I’ve been looking for freedom“. Damit dürfte bewiesen sein, dass der Ruhm für den ersten deutschen Grand Prix Sieg weder Ralph Siegel noch der blonden Nicole gilt, sondern eigentlich der polnischen Nation zusteht. Ebenso sieht es mit dem Verdienst um den Mauerfall aus, den sich Herr Hasselhoff also ganz zu Unrecht zuschreibt und auch der von den Scorpions besungene „Wind der Veränderungen“ ist nur gestohlen.

Höhepunkt war kurz vor Schluss der Modern Talking Klassiker „Cheri, Cheri Lady“, in einer Crossover Version vom jüngsten Mitglied - von den anderen liebevoll „Trübste Tasse der Familie“ betitelt - vorgetragen. Nach einem ordentlichen Schluck aus der Wodkaflasche zum Mut antrinken gab es nicht nur einen Rüffel für das maßlose Vernichten der 80%-igen Spezialmischung vom großen Bruder Pavel, sondern auch leichte Gleichgewichtsstörungen, die den jüngsten Spross zu Boden rissen.

Wenige Augenblicke später, nach einer kurzen Regeneration und einer Persönlichkeitsveränderung à la Jekyll & Hyde, erhob sich Janusz wie Phoenix aus der Asche und kokettierte vor allem mit den Damen im Publikum, die nur darauf zu warten schienen, dass sich der schmächtige Pullunderträger die vom Wodka getränkten Kleider vom Leib riss. Mit einem Sprung über die Absperrung hinüber machte er dann noch einen kleinen Ausflug in die Menge, bevor er nach Beendigung des Liedes über die Kirschverkäuferin aus der Heimat wieder in sein schüchternes Verhalten zurück kehrte.

Danach gab es noch mindestens drei Zugaben zwischen denen die komplette Familie sich immer wieder brav – wie die Perlen auf einer Kette, in einer Reihe gefädelt – aufstellten und sich brav beim Publikum bedankte, kurz von der Bühne verschwand und vom tosenden Applaus zurück geholt wurde.

Als Resümee des Abends bleibt einem nur zu sagen, dass die Popolskis zwei Stunden exzellente Musik, Party und beste Unterhaltung geboten haben, die alle vertretenen Altersklassen friedlich vereinte.

katinka roggfeld29.08.2010

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