Konzertbericht
Broken Social Scene
Pauken und Trompeten
Heidelberg - Karlstorbahnhof
08.06.2005
Oh, wie beschränkt der menschliche Geist doch ist. Da beehren uns die kanadischen Kollektiv-Musiker von der Broken Social Scene mit einem ihrer seltenen Gastspiele auf deutschem Boden und prompt nach dem Konzert hat man die Hälfte schon wieder vergessen. Wie viele waren das gleich? Haben die wirklich mit bis zu fünf Gitarren aufgespielt? War Leslie Feist nun dabei oder nicht? Aber der Reihe nach...
Zugegeben: ein bisschen Sorge hatte man im Vorfeld des Konzerts, dass die Kanadier ihren vertrackten Indie-Rock live allzu verkopft angehen könnten. War das Album „You Forgot It In People“ bereits ein beanspruchendes (aber mehr als nur lohnendes) Werk, so stand doch befürchten, dass der Prog-Rock-Schalk mit der Band durchgehen könnte und man live schlicht überfordert werden würde. Aber – Gott sei es gedankt – es kam alles anders. Nach bemerkenswert ruhigem Beginn wundern sich viele der Zuschauer bereits nach wenigen Minuten wie kraft- und druckvoll Broken Social Scene zu Werke gehen. Das technische Niveau der Herren bedarf wohl keiner näheren Erläuterung. Kein Wunder - an hemdsärmeligen Instrumentalisten mangelt es heute Abend auch nicht. Mit bis zu fünf Gitarren, einem Bass und einem Schlagzeug, einer Posaune, einer kompletten Reisetasche voll illustren Rhythmus-Zubehörs und nicht wenigen weiteren Instrumenten lässt es sich freudvoll drauflos musizieren. „KC Accidental“ bildet einen ersten rockigen Höhepunkt. Aber erst später mag der Schleier so richtig fallen. In Konzerthälfte Zwei blüht die Band dann vollends auf. Spätestens beim famosen „Almost Crimes“ steht man mit breitem Grinsen vor der Bühne.
Überhaupt geben sich die Kanadier an diesem Abend zunehmend unbefangen. Bei der Anzahl an Musikern fällt es nun auch nicht mehr so stark ins Gewicht, wenn sich einzelne Bandmitglieder zwischendurch mal eine kleine Auszeit gönnen, um im Publikumsraum mit verlesenen Zuschauern geschwind eine Zigarette zu rauchen oder an der Bar etwas zu trinken zu holen. Und wenn dann mal wieder alle an Bord sind, dann leiht man sich schon mal die Digi-Cams der jungen Damen in der ersten Reihe und knipst ein paar Fotos von den Fans.
Ohne viel Brimborium versteht es die Band, die Zuschauer auf ihre Seite zu ziehen. Dabei sind es bei weitem nicht nur die rockigen Stücke, die gefallen. Insbesondere das heimelige „Anthems For A Seventeen Year-Old-Girl“ löst mit sphärenhaftem Frauengesang Freudentränen aus und macht den etwas frostigen Konzertbeginn dann vollends vergessen. Allzu viel Melancholie serviert die Band heute dennoch nicht. Stattdessen voller Einsatz: mit Pauken und Trompeten. Und wenn dann mal wieder der Sänger vor des Posaunisten Mikrophon steht, dann nimmt man halt das Mikro nebenan. Macht ja nix. Sind ja genügend da.
Wie viele Musikanten das nun genau waren wusste hinterher niemand mehr so genau zu sagen. Leslie Feist war – so glaube ich – jedenfalls nicht dabei. Aber wer weiß das schon.
Martin Baum, 17.07.2005
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