Konzertbericht
Cro-Mags
Madball, H2O, Yuppicide, Skarhead, Wisdom In Chains, Cruel Hand
Black&Blue Bowl of Hardcore
New York, NY
15.05.2010
Freddy Madball hat mit seinem Black & Blue Bowl (früher Superbowl of Hardcore) so ein bißchen seine eigene jährliche Frühjahrsmesse geschaffen: 1000 Leute huldigen neun Stunden am Stück in einem kleinen NYC Club ihrem NYC Hardcore. Es war eine Kombination aus einem ordentlichen Aufgebot an immer noch (oder wieder aktiven) Bands, der Anwesenheit so einiger Namen des New York Hardcores im Publikum (Gorilla Biscuits, Side By Side, Leeway, Sick of It All, Agnostic Front, Killing Time, Warzone, Kill Your Idols) und vieler Leute, die sich noch sehr gut an die alten Zeiten erinnern. Also beste Voraussetzungen für einen wundervollen Samstag im Mai.
Der Austragungsort ist von Brooklyn wieder nach Manhattan zurückgekehrt, in die Webster Hall, die durch die Jahre schon viele Hardcorebands vor die Meute gebracht hat.
Die Schlange zutätowierter und halbnackter Kanten (der Frauenanteil war eher begrenzt) schob sich schon um 2 Uhr nachmittags um einen Block herum Richtung Eingang, und es ging gerade rechtzeitig zur ersten Band in den dunklen Saal mit Balkonen, Räucherstäbchen und Hotdogecke.
Eingeläutet haben Incendiary und die ersten Besucher haben sich schon mal auf der Tanzfläche warmgeturnt. Es gab keine Absperrung zwischen Publikum und Bühne (was eher selten ist), also wurde der tänzerische Freiraum bequem auf die Bühne ausgedehnt. Es flogen Fäuste, Füße, Schuhe, es gab blaue Augen, blutige Nasen und andere Ausfälle aber es gab auch die gewohnten charismatischen Höflichkeiten und Hilfen untereinander. Alle hatten gute Laune und das sollte auch den ganzen Abend so bleiben. Die akrobatischen Fähigkeiten der meisten waren wirklich sehenswert, Flic Flacs im Pit, Saltos von der Bühne und Kunstturnschrauben in die Menge liefen runter wie vom Fliessband.
Es gab eine nicht US Band, Sand aus Japan. Vom Wortschatz kam nur "New York Hardcore, jaja?" aber den haben die fünf Jungs wirklich herzerfüllt und energiegeladen geliefert.
Cruel Hand waren gewohnt drückend und überzeugend gefolgt von Wisdom in Chains. Damit ging es dann wirklich los. Ihre Mischung aus Hardcore, Oi-Punk und Metal hat so ziemlich den Nagel in jeden Kopf getroffen: ordentliche Moshparts und Partygegröhle gaben sich vor und auf der Bühne die Hand, Menschenhaufen und eine voller werdende Stage machten die 30 Minuten Spielzeit zur wahren Freude.
Das hieß es zu toppen, aber das Aufgebot hatte noch so einiges vor. Trapped Under Ice haben das gleich danach erledigt. Genauso drückend und schleppend gab es nochmal eine halbe Stunde auf die Vollen. Alles war dann soweit bereit für Skarhead, dann hatte jedoch irgendwer die Idee, Supertouch noch dazwischen zu schieben. Ihre Wurzeln im NY Hardcore mal zur Seite gelegt, es hat sich soviel Energie in der stinkenden Luft angesammelt, da wollte keiner Ende 80er Experimental Punk(core) was-auch-immer, der nicht in die Pötte kommt. Zeit für frische Luft.
Danach kam dann Skarhead, die Superband des NYHCs, der fast alles scheißegal ist. Klarer Heimvorteil hier, Skarhead ist wohl eine der Vorzeigebands des Strassen NYHCs und demnach vom Publikum fast vergöttert. Danny Diablos Pißlaune, gepaart mit dem (mitlerweile Ex) Madball Trommler und Sub-Zeros Lu DiBellas am zweiten Mikro, dahinter ungefähr 50 Mann von ihrer NYC Straßencrew und der ganze Laden ist fast eingestürzt. Musik vom Feinsten, Einstellung und Ausstrahlung ebenfalls fast unerreicht.
Es kam dann Yuppicide's erste Show seit 1998. Das gleiche Problem hier wie für Supertouch, gut an sich und damals, aber nicht genug Tritt um die Laune zu halten. Und Masken auf der Bühne... Wieder frische Luft.
Dann ging's zum Finale. Über H2O und ihren Livefähigkeiten wurde bestimmt schon genug geschrieben, gute Laune steht hier ganz oben, melodischer punkiger Hardcore mit vielen Singalongs, die ebenso textsicher vom Publikum quittiert wurden. 45 Minuten Musik vergingen im Flug, unterbrochen von Danksagungen an Familienmitglieder, Bandkollegen, der Musik und den Fans.
Dann kam Madball, und damit auch der Grund, warum das ganze Festival überhaupt existiert. Aufgewachsen fünf Blocks entfernt, die Musik liebend wie sonst nichts, Freddy's grosse Familie und ewiger Dank für das, was die ganze Szene für ihn ist. Wer sich darüber aufregt, daß Madball Ghetto und Strassengetue durch die Gegend posaunt: das ist wirklich das, was für die Jungs Alles bedeutet. Vom mir aus, wir haben halt früher im Fussballverein gekickt.
Als Dankeschön an die Szene gab es dann fast nur Lieder der ersten beiden CDs und die Jungs haben sich wirklich angestrengt.
Am Ende gab es dann noch die Cro-Mags, oder eher gesagt Cro-Mags(Jam), was eigentlich nur John Joseph am Mikro ist. Unterstützt von Sick of It All's Craig Ahead am Bass, Leeway's AJ an der Gitarre und Streunerjunge Mackie Jayson an der Trommel. Viele im Publikum waren wirklich fertig, aber es ging den legendären Songs rechtfertigend noch mal gut zur Sache mit dem kompletten Klopp und Diveaufgebot, das sich dann schon durch die letzten neun Stunden gezogen hat. Auf jeden Fall ein guter Abschluß um 11 Uhr abends.
So im die Zeit herum öffnete dann auch die benachbarte Abschleppdisko und es war recht amüsant zu sehen, wie verschwitze Proleten Limousinenladungen junger Mädels in Cocktailkleidern auf Jungesellenabschied handhaben. Erfolgreiche Pärchenbildung war da ganz klar nicht auf dem Abendprogramm.
stephan meyer, 18.05.2010
TRACKLIST
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