Interview

Adolar - "Wir sind halt immer noch dieselbe Gurkentruppe wie am Anfang!"

Adolar

"Wir sind halt immer noch dieselbe Gurkentruppe wie am Anfang!"

Adolar wurden Anfang des Jahres in der Presse als Hoffnungsträger des deutschen Punk gefeiert. Die Show in Frankfurt macht auf jeden Fall Lust auf mehr.
Nach dem Auftritt stand die sympatische Band Bizarre-Radio Rede und Antwort.

Bizarre-Radio: Ihr wart jetzt schon eine längere Zeit auf Tour? Wie war es denn so bisher?

Adolar: Ziemlich geil! Wir hatten glaube ich so viel Spaß wie lange nicht mehr und es war auch die erste Tour seit über einem Jahr. Und es hat uns mal wieder ziemlich gut getan auf Tour zu sein.

Bizarre-Radio: Ihr hattet ja auch schon mal im Ausland gespielt. Wie war es denn im Ausland für euch und was kann man da als Band mitnehmen?

Adolar: Gerade in Frankreich ist es ein wenig komisch, gerade weil man da mit deutschen Texten spielt, aber wir haben da mit einer befreundeten Band gespielt, die uns da ein bisschen versorgt haben, mit denen wir da zusammengespielt haben. Es kam dann auch erstaunlich gut an, obwohl vielleicht Viele die Texte nicht verstanden haben. Aber es war trotzdem schön, auch in Frankreich. In Österreich gab es voll die Ausnahmesituation. Das eine Konzert war im Rahmen von so einer Rockdisko. Vor 600 Leuten, alle total drogenverstrahlt, wir alle ziemlich angetrunken, außer unser Schlagzeuger, der nicht trinkt. Wir sind dann auf die Bühne – total abgefüllt. Danach gab es dann auch ‘nen leichten Schnitt, wir haben von ein bis zwei Uhr nachts gespielt. Kann sich eigentlich kein Mensch reinziehen. Danach kam dann so ein DJ, der hatte so zehn Groupies im Backstage und von zwei Securities bewacht wurde und alle am Line ziehen. Boah! Dann haben wir noch in Salzburg gespielt und da hatten wir manche Songs viermal am Abend gespielt und nach jedem Song kam wieder ein Tablett mit Wodkagläsern. Österreich war also richtig lustig. Tschechien eigentlich auch, da bietet dir jeder Absinth an. Und nachts pennt man dann halt bei dem Punk zuhause, wo man vorher im Vorgarten umkippt. Richtig lustige Dinger also…

Bizarre-Radio: Klingt auf jeden Fall nach einer Menge Spaß! Zu eurer Musik: Ich würde die als ziemlich facettenreich beschreiben. Wie würdet ihr denn eure Musik beschreiben?

Adolar: Ziemlich facettenreich! Würde ich auch sagen, wenn ich du wäre … und auch wenn ich ich bin.

Bizarre-Radio: Anfang des Jahres hat man euch in einer renommierten Zeitschrift als Hoffnung des deutschen Punkrock bezeichnet. Könnt ihr damit leben oder nervt der Hype nur noch?

Adolar: Wir können eigentlich gut mit allem leben. Das Ding ist, wir sehen uns nicht unbedingt als Punkrockband. Natürlich steckt da etwas von drin, aber wenn Leute etwas über uns schreiben ist das gut. Auch wenn es ein Verriss ist, ist das lustig. Wir haben zum Beispiel zum neuen Album irgendwo null von zehn Punkten bekommen und der Rezensent hat sowas von über uns abgezogen. Da mussten wir drüber lachen und fanden es lustig. Es ist trotzdem cool, wenn jemand drüber schreibt. Wir haben kein Problem mit sowas.

Bizarre-Radio: Dann noch generell zum neuen Album: Wie war es das aufzunehmen … gerade weil man ja sagt das Zweite wäre das schwierigere?

Adolar: Es hat sich so gut angefühlt wie noch nie! Live-Recording, alle im Kreis stehen… Es war einfach richtig echt und gefühlvoll. Man kann sich angrinsen, man kann sich anmeckern. Es ist nicht so, dass jeder in seiner kleinen Kabine sitzt und wie bei einer Abi-Prüfung da alleine durch muss. Wir haben viel länger dran geschrieben, vieles ausgefeilt und es war einfach wunderschön. Wir wachsen auch immer mehr zusammen, obwohl wir schon dachten, dass man gar nicht noch mehr Zeit miteinander verbringen kann. Das Album hat es dann doch passieren lassen.

Bizarre-Radio: Ihr habt ja auch viel Tour gespielt. Ist es anstrengend gleichzeitig an einem neuen Album zu arbeiten?

Adolar: Das waren nicht wirklich gleichzeitige Prozesse. Wir haben diese lange Tour 2010 gespielt. Dann haben wir die Zeit, natürlich auch zwischen anderen Konzerten, genutzt um am neuen Album zu schreiben. Wir hatten mehr Zeit das Album zu schreiben und es war abwechslungsreicher mit den Konzerten dazwischen. Beim Touren haben wir es noch nicht wirklich hinbekommen einen Song zu schreiben. Kann ja noch kommen im Hause Adolar. Nur den Song „Ekelhafte Pläne“ haben wir mal nach einem Konzertwochenende geschrieben, als wir noch im Proberaum waren und den Song dann innerhalb von ein paar Stunden fertig hatten.

Adolar: Eure Texte sind sehr interessant und anekdotenhaft. Habt ihr da reale Begebenheiten aus eurem Leben vor Augen, wenn ihr die Texte verfasst?

Adolar: Leipzig ist dran schuld … beim neuen Album. Alles, was in den Texten vorkommt, ist irgendwie, in irgendeiner Art in Leipzig passiert. Es ist nicht immer eine Geschichte, ein Song fasst meistens so drei Geschichten zusammen. Da ist eigentlich nichts fiktiv. Manche Dialoge oder Zitate, die vorkommen, haben wir wirklich in irgendwelchen Küchen, Diskos oder in der Straßenbahn gehört.

Bizarre-Radio: Also bilde ich es mir nicht ein, dass alles ein wenig großstädtisch angehaucht ist?

Adolar: Richtig. Beim ersten Album haben wir ja noch in der Provinz gelebt. Die Songs da wurden in einem Ort namens Bismarck geprobt und niedergeschrieben. Und dann auch in Magdeburg im Studium habe ich alleine im Wohnheim gewohnt. Abgeschottet! Da sind einige Texte entstanden. Und beim neuen Album ist es dagegen wirklich das Ding: Du bist in der Großstadt und immer in irgendeinem Park und so viele Menschen labern und labern, gehst an Leuten vorbei, die Small Talk betreiben, und bist selber dabei auf Small Talk zu reagieren.

Bizarre-Radio: Wir hatten es ja eben schon mit den Reaktionen auf die eigene Musik. Wie ist das generell für euch über die eigene Musik zu lesen?

Adolar: Oft ist es interessant, was die Leute da reininterpretieren. Das ist immer recht lustig. Wir machen das generell aus dem Bauch heraus, wir überdenken das dann, aber es ist kein reines nach dem Kopf Musikmachen. Aber oft schreiben Leute dann, dass es Literatenmusik ist oder Intellektuellenmucke. Das ist dann sehr interessant oder man freut sich, wenn Leute das sehr loben. Man freut sich, dass man was geschaffen hat, das den Leuten voll viel bedeutet und dem Ganzen wert beimessen. Das ist schon schön. In der letzten Rezi, die wir zu unseren neuen Album gelesen haben, hat eine junge Dame dann geschrieben „Übelst cool, aber die No-Future-Mentalität hat man schon tausend Mal gehört“. Der Witz ist dann so, dass in keinem einzigen Text auf unserem neuen Album geht es irgendwie um „No Future“. Es hat nix damit zu tun. Es stand da auch etwas von Jammer-Punk, aber wir finden es wird nix gejammert. Auch der letzte Song, der traurig klingt, soll erlösend sein. Man wird also auch oft falsch verstanden, aber wir regen uns nicht darüber auf.

Bizarre-Radio: Wenn man so etwas im Internet liest, scheint ja doch eine gewisse Professionalisierung bei euch stattgefunden zu haben. Ist das eher Fluch oder Segen für euch?

Adolar: Es ist ja keine richtige Professionalisierung in dem Sinne, dass es unser Job ist und wir davon leben können. Es ist eine Professionalisierung in dem Sinne, dass wir Sachen nicht mehr machen müssen. Früher hat Tom das Booking gemacht, wir mussten unsere erste EP selber kleben. Jetzt haben wir eine Booking-Agentur und müssen auch keine Platten mehr kleben. Wir müssen einfach einige nervige Sachen nicht mehr machen.

Bizarre-Radio: Es erleichtert also alles ein wenig…

Adolar: Genau! Es kommt halt wahrscheinlich auch so rüber, weil in den ganzen Magazinen und Radios erscheinen riesige Artikel und Beiträge … mit Fotos und so. Gestern das Konzert war ziemlich gut besucht, heute in Frankfurt war es dagegen eines der schlecht besuchtesten Konzerte der Tour. Da merkt man dann wieder das intime Konzertgefühl, das wir noch von unseren früheren Touren kennen. Das ist nicht ausgelöscht und es ist cool. Wir sind halt immer noch dieselbe Gurkentruppe wie am Anfang. Also bleiben unterm Strich die Booking-Agentur, mehr Plays im Radio und die ganzen Festival-Auftritte. Es ist also alles noch locker und macht Spaß. Wir denken nicht „Scheisse, wir brauch Kohle. Wir müssen jetzt nochmal ‘nen Popsong schreiben“.

Bizarre-Radio: Was haltet ihr denn eigentlich von politscher Musik? Ist eure Musik gar politisch?

Adolar: Drei von uns hatten vor Adolar eine Band, die war politisch angehaucht. Als wir dann die Band gegründet hatten, haben wir ohne das Wissen, dass wir dann später bei Unterm Durchschnitt den Plattenvertrag kriegen oder was auch immer, haben wir uns gesagt: „Kein Bock mehr auf Zeigefingermusik, lass uns im Proberaum etwas machen, das uns beschäftigt und nur für uns ist. Scheiss drauf, ob Leute mitgröhlen oder nicht, ob Zeigefinger zeigen oder nicht.“
Jeder einzelne von uns ist auf jeden Fall auf irgendeine Art politisch, aber wir zählen das nicht auf wer auf diese Demo geht, sich so ernährt oder dieser Organisation etwas spendet. Diese Musik reflektiert eigentlich nur unser normales Alltags-Dasein.

Bizarre-Radio: Was bringt denn die Zukunft für euch?

Adolar: Jetzt wird erst mal live gespielt. Wir haben Bock, haben die Tour gespielt, haben im März noch eine größere Tour und zwischendrin einige Konzerte. Dazu hoffentlich noch mehr Festivals als dieses Jahr.
Dazu wird’s einen Split mit unseren Freunden von The Hirsch Effect geben. Die covern einen Song von uns und wir covern einen von denen auf unsere Art. Wir lassen uns da eher treiben erst mal.

Bizarre-Radio: Wollt ihr unseren Hörern sonst noch etwas mitteilen?

Adolar: Immer locken bleiben, immer fair und immer fröhlich!

Felix Saran28.10.2011

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