Interview

Team Sleep
American Democracy
Köln, Prime Club, 16:55 Uhr: „Hi Fabian! Herr Moreno schläft leider, und wir wollen ihn auch nur ungern wecken jetzt.“ Na super. Warum schläft der Kerl um diese Uhrzeit? „Die Jungs waren gestern in Holland, und…naja…Du weißt schon…“. Ja, weiß ich. „Und was nun?“
„Wir finden schon einen Ersatz-Gesprächspartner!“ Hat sie, die nette Label-Dame, gerade wirklich Ersatz gesagt? Wahrscheinlich nicht, aber die Aussage ist die gleiche. Derjenige, der behauptet, nicht schon im Vorfeld gewisse ehrfürchtige Freude verspürt zu haben, mit Chino Moreno, hauptberuflichem Kopf der großen Deftones, reden zu dürfen, so sehr ihm sein Ruf als schwieriger Partner auch vorauseilt, der lügt. Aber die Erleuchtung für diese Wendung folgt auf dem Fuße: Team Sleep heißen die doch schon, klar! Hätte man sich also denken können. „Und jetzt?“ „Mal sehen wer dahinten gerade fitter ist…“
So schleicht sich spätestens in diesen Minuten der nach Genuss des langerwarteten und fast schon aufgegebenen Debüt-Albums “Team Sleep“ entstandene Eindruck, dass hier tatsächlich nicht die ausgeschlafensten Menschen am Werk sind, unweigerlich als Fakt vor die Nase. Den größten Gegenbeweis soll bei der späteren Show allein Drummer Zach liefern, der mit seinem nimmermüden oben-ohne-Matte-schwingen dem Tier der Muppets alle Ehre macht. Die musikalische Darbietung bleibt weniger leicht konsumierbar als das, was mutmaßlich nicht nur in der letzten Nacht in Dampf aufstieg. Wer braucht schon Strophen und Refrains? Gut, wir sind hier ja nicht auf einem Pop-Konzert. Und sehenswert sollte das zwar schon werden, aber nur sehr bedingt greifbar und komplett überzeugend. Man hätte so was Durchwachsenes zwar erwarten können, aber erhofft hat man sich doch etwas mehr Druck und Linie. Was nicht heißen soll, dass die Jungs nicht motiviert gewesen wären. Denn schon der „Ersatz“-Interviewpartner DJ Crook ist begeistert von Team Sleep, dieser Tour und überhaupt dabei zu sein. Geschätzte 1,65 cm klein, für sämtliches Drum-Programming, Sounds, Samples und Turntables verantwortlich, beantwortet er auf dem Dach des Prime Clubs bei gefühlten 40° C im Schatten wirklich freundlich alle Fragen, wenngleich er zugibt, nicht häufig in dieser Position zu sein und man sich nicht sicher wird, ob er es genießt oder nicht so recht mit der Situation umzugehen weiß. Und ganz kommt man natürlich auch um den Schlafenden nicht herum.
BR: Wie fühlt es sich an, nach all den Jahren endlich Euer Album veröffentlicht zu haben?
Crook: Befreiend! Das alles fing ja schon vor über fünf Jahren an, sich zu entwickeln. Aber anfangs gar nicht als Plan, eine Platte zu veröffentlichen, sondern einfach um Spaß zu haben. Ganz zwanglos und locker eben. Und 2001 gingen wir dann aber nach Seattle, um innerhalb von drei Wochen ein Album aufzunehmen. Wir hatten genug Musik fertig, nur die Vocals fehlten noch. Zu der Zeit entschieden wir uns auch für Maverick als Label. Und dann kam ja all dieser Internet-Kram…
BR: Bist Du also ein Bandmember der allerersten Stunde oder wurdest Du erst später ins Boot geholt?
Crook: Naja, ursprünglich begann das ja alles irgendwann in den späten Neunzigern. Ich gab Chino ein paar Beats, und er hatte Lust da ein paar Vocals zuzusteuern. Zeitgleich arbeitete Todd (Wilkinson, …, d.Verf.) an ein paar Four-Track-Aufnahmen mit seiner Gitarre. Da entschieden wir uns einfach, all das zusammenzuwerfen, seine Gitarren in meinen Beats, Chinos Gesang überall drüber – so begann das alles.
BR: Was war das genau für eine Geschichte mit dem Internet, die alles so in Verzug brachte?
Crook: Das Material, das wir in Seattle aufnahmen, geriet im Sommer 2002 irgendwie ins Netz und an die Radiostationen. Aber es war ja noch längst nicht fertig, vor allem die Vocals darauf. Das war genau zu der Zeit, in der Chino das selbstbetitelte Deftones-Album schrieb. Das verzögerte natürlich alles. Während Chino dann auf Tour war, gingen Todd, unser Drummer Zach und ich in ein Studio nach L.A., wo wir sechs neue Songs aufnahmen. Danach nahmen wir noch ein paar mehr auf, teilweise erst kurz bevor wir das eigentliche Album dann im September 2004 fertig stellten.
BR: Schriebt ihr neue Songs, weil ihr die alten nicht mehr mochtet, oder einfach weil ihr Lust auf was Neues hattet?
Crook: Bei einigen der frühen Songs mussten wir immer noch herausfinden, wer von uns welche Rolle zu spielen hat. Und je mehr wir schrieben und spielten und uns mit der Musik beschäftigten, desto komplettierter klang das alles dann auch im Vergleich zu den ersten Aufnahmen. Daher entschieden wir uns, einige dieser Sachen fallen zu lassen, andere zu behalten und uns vorrangig auf neueres zu konzentrieren.
BR: Wie schätzt Du heute Team Sleep ein? Als ein Projekt oder doch eine richtige Band mit einer etwaigen Zukunft?
Crook: Nun, wir haben schon ein paar neue Songs geschrieben, die wir tatsächlich für ein weiteres Album nutzen könnten. Es könnte so gesehen also schon eine richtige Band sein, ja. Wir sind alle ganz gut in dem was wir tun, denke ich. Es ist aber alles schlichtweg eine Frage der Zeit, wie das alles funktionieren kann oder wird. Chino ist halt bei den Deftones! Wenn die Dinge aber so laufen, dass wir ein weiteres Album schreiben können, wäre das schon ganz nett!
BR: Hören Euch in erster Linie Deftones-Fans? Wen erreicht ihr noch?
Crook: So läufts natürlich erstmal, die Leute kommen wegen Chino zu den Shows, das ist Fakt. Aber wir versuchen dabei natürlich ständig, neue Leute zu erreichen, neue Hörerschichten. Vielleicht gibt es ja hier und da auch immer mal wieder jemanden, der Chino nicht kennt…
BR: Es ist also kein Problem für Euch Musiker, dass Chino all die Aufmerksamkeit auf sich zieht?
Crook: Nein, ganz und gar nicht! Im Gegenteil, es ist ein großer Vorteil für uns sogar. Mir gibt es die Gelegenheit zu touren, bringt Leute zu unseren Shows, die dafür sogar Schlange stehen. Natürlich liegt das an Chino’s Person, gibt uns anderen aber die Möglichkeit zu zeigen wer wir sind und was wir können.
BR: War es schwer, diese Tour auf die Beine zu stellen, wo ihr ja alle noch eine Menge anderer Sachen macht?
Crook: Touren waren schon öfter oder früher angedacht und geplant, immer wieder gab es hier und da Verzögerungen oder Absagen, schon tricky also alles. Todd, Rick und ich haben alle gewöhnliche Jobs, Chino’s Karriere ist Musik, Zach spielt gleich in zigtausend verschiedenen Bands und ist immer unterwegs. All das zu vereinen fällt natürlich oftmals schwer, aber irgendwie hat es ja geklappt und hoffentlich klappt das auch noch mal!
BR: Ist Team Sleep eine demokratische Band? Wie läuft diesbzgl. auch das Songwriting?
Crook: Der Großteil stammt von mir und Todd. Das läuft immer noch so wie vor 5 Jahren: Ich gebe ihm eine CD mit Beats und Samples, er mir eine mit Gitarren, Zach macht’s genauso. Wir sitzen nie in einem Raum und schreiben, jeder macht erstmal sein eigenes Ding. Chino kommt ganz zum Schluss. Er wollte und will auch nie dieser Fixpunkt sein, er lässt uns einfach das machen was wir machen.
BR: Wie geht Ihr mit Eurer eigenen Geschichte und den ewigen Gerüchten um, die den Namen Team Sleep bis heute begleiteten oder geradezu ausmachten?
Crook: Manche dachten bestimmt schon lange, dass es ein Witz sein müsse oder ein Mythos (lacht). Deswegen war ich in gewisser Art und Weise ja sogar schon glücklich, dass diese alten Aufnahmen in die Öffentlichkeit gerieten! So haben die Leute immerhin Songs zu Hören bekommen und wissen, das tatsächlich was existiert und passiert. Aber von damals an bis jetzt, wo das Album raus ist, scheint mir eine Ewigkeit vergangen zu sein…(lacht)wie war die Frage noch mal?
BR: Zurück in die Gegenwart: Wie beschreibst Du Team Sleep’s Musik?
Crook: Ich bin nicht gut darin, Dinge zu beschreiben, Genres zu definieren und so…Ich glaube einfach, dass es, wenn Du in Ruhe von Anfang bis Ende zuhörst, einen schönen Sound zu hören. Es sind drei Sänger vertreten, diesbzgl. ist es also schon mal einzigartig. Aber wenn Du es Dir als Ganzes anhörst, kommt alles auf seltsame Art und Weise zusammen und wird so zu einer schlicht schön klingenden Platte.
BR: Worin besteht der Hauptunterschied zu den Deftones, um die man ja wegen Chinos Gesang nicht drum rum kommt als Referenz?
Crook: Erstmal ist es offensichtlich viel weniger agressiv. Todds Gitarren sind auch ganz anders als die von Steph. Wir nutzen viel mehr Drum-Programming, die Sounds sind zwei ganz unterschiedliche. Team Sleep klingt da auch viel relaxter…
BR: Auch wegen euren verschiedenen Backgrounds und Einflüssen?
Crook: Ja, natürlich hören wir alle ganz unterschiedliche Musik, allein das hält Dich sehr offen. Ich z.B. komme eher aus einem HipHop-Background, habe deshalb aber keine straighten Hip Hop – Beats gebaut, sondern es bewusst relativ offen gehalten.
BR: Wie kam es zu den Gast-Sängern auf dem Album?
Crook: Chino kontaktierte Mary Timony irgendwann irgendwie, das muss schon 2001 oder so gewesen sein. Sie sang drei Songs ein, wovon zwei dann auf dem Album landeten. Rob Crowe von Pinback ist ein guter Freund von Zach, außerdem mögen wir alle seine Band. Wir riefen ihn an, er kam nach Sacramento und arbeitete neben seinen eigenen Songs an Vocals für uns, was sehr gut funktionierte.
BR: Habt ihr in Sacramento denn tatsächlich so eine Art besagter Szene?
Crook: Ja klar, es gibt viel gute Bands da, die Leute kennen sich, fast eine Art Community.
BR: Wie schätzt Du Euren Status dort und hier ein? Ist der Unterschied groß?
Crook: Es scheint recht ausgeglichen zu sein. Aber ich kann das natürlich nur anhand der Shows beurteilen, da scheint das Interesse in den Staaten und Europa gleich zu sein.
BR: Wie bewusst schreibt Chino seinen Teil anders, weniger aggressiv, im Vergleich zu den Deftones-Songs? Schließlich ist der Mensch ja kein anderer.
Crook: Er baut ja seine Vocals um unsere Musik herum, was ja schon mal ganz anders ist. Ich denke, er lässt der Musik Kontrolle über seine Lyrics übernehmen.
BR: Nutzte er denn auch Material, was eventuell ursprünglich für die Deftones entstanden ist?
Crook: Nein, gar nicht, er schrieb alles um unsere Musik rum, keine Restverwertung oder so was!
BR: Kommt er mit seinen Lyrics zu Euch oder macht er einfach?
Crook: Normalerweise nimmt er einfach unsere Musik, verschwindet damit und nimmt auf seinem kleinen digitalen 8-Track-Recorder seine Ideen auf, womit er in der Regel auch bis zur letzten Minute nicht fertig wird! Die ganze Zeit hat er nur Ideen und Ideen, und wenn wir dann was fertig stellen wollen, versucht er sich auch erst daran. Meist hören wir die letztendlichen Vocals nie bevor der Song wirklich aufgenommen wurde!
BR: Was unterscheidet Team Sleep live zu denen auf Platte? Macht ihr Dinge anders?
Crook: Zum Beispiel haben wir die Gastsänger nicht dabei. Wenn wir deren Songs spielen, übernimmt Chino selbst das dann. Und wir spielen die Songs meist nicht exakt wie auf Platte, sondern zum Beispiel mit einem anderen Ende, probieren hier und da mal was Neues aus. Es ist live auch ein bisschen aggressiver als auf dem Album, heavier. Naja, heavier will ich da eigentlich nicht sagen, das passt nicht im Vergleich zu wirklichen heavy Sachen! Es wird aber schon etwas lauter, bei „Foreign Flag“ zum Beispiel. Eigentlich ist das sehr mellow, wir setzen da live aber noch ein paar Gitarren drauf, vielleicht um die Show einfach noch besser zu machen.
BR: Wie entscheidet ihr, ob und wenn ja, wann ihr weitermacht mit einem möglichen zweiten Album, Touren, Eurer Zukunft eben?
Crook: Wenn, dann wird der Prozess ähnlich sein, aber wir haben nun schon ziemlich viel gelernt und schaffen Dinge in Zukunft wahrscheinlich viel schneller. Wir sind soweit, dass wir, wenn Chino wieder weg ist, gut alleine Musik schreiben und sie fertig bringen können werden. Es wäre schön, wenn wir nach diesem Lernprozess unsere Grenzen noch weiter öffnen würden.
BR: Viel Spass auf Chinos Geburtstags-Party heute Nacht!
Crook: Äh… ach ja, stimmt ja! Und sorry, dass Du mit mir Vorlieb nehmen musstest…
BR: Nicht doch…
Fabian Soethof, 16.07.2005
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