Interview

Living Colour - Living Colour Reunion 2003

Living Colour

Living Colour Reunion 2003

Das Gastspiel der Funkmetalcrossoverlegende aus NYC in der Hamburger Fabrik führte bizarre-radio.de Redakteur Nils Robin Kruska zum Frontmann Corey Glover

Als LIVING COLOUR „Vivid“ veröffentlichten war ich gerade dabei den Bereich Metal für mich zu entdecken, war diese Scheibe doch etwas ganz anderes als nur Metal. Es war eine bunte Mischung aus Funk, Jazz, Rock und Metal mit Pop-Einfluß. „Middle man“, die erste Single Auskopplung lief als Videoclip auf MTV und den deutschen Musiksendern. Große Musikmagazine wurden auf LIVING COLOUR aufmerksam und der Stein kam ins Rollen.
10 Jahre lang dauerte es bis LIVING COLOUR mit „Colleidoscope“ ein neues Album im Oktober 2003 veröffentlichten, ohne jedoch vorher in Soloprojekten zu vergessen die eigene Kreativität zu aktivieren.
Zu hören LIVING COLOUR in meiner Stadt Hamburg endlich wieder live sehen zu können und dann die Zusage für das hiermit publizierte Interview und die Statements des Vokalisten Corey Glover war das Konzert/Interviewerlebnis des Jahres 2003 für mich.

Kruska: Als erstes sah ich den Videoclip von euch „Middle Man“ vor langer Zeit, zu diesem Zeitpunkt war ich ein junger Teenager. Ich würde euch als die Entdecker des Crossover bezeichnen, die diesen Begriff als Mischung aus Pop-Rock-Funk und Metal definierten.
Stimmst du mir zu?

Glover: Ich weiss selbst nicht so genau, wie wir uns bezeichnen, wir versuchen das selbst immer noch herauszufinden, wir wissen, dass wir eine Hardrockband sind, wir spielen halt einfach. Die Songs handeln von dem, wer und was wir sind und wo wir herkommen.Der Song "Middle man" ist für mich persönlich ein sehr interessanter Song, weil der Songtext aus einem Gedicht eines Selbstmordabschiedbriefes stammt, den ich als Teenager schrieb, mitten in einer Situation, inmitten vieler Sachen und ich war es leid zu leben und wollte sterben. Das war der Grund, warum ich diese Zeilen schrieb und sie halfen mir diese dunklen Tage zu überstehen und genau das ist es, was LIVING COLOUR vollbringen. Da gibt es Leute, die in dieser Umgebung leben und die nicht mehr leben wollen. Aussenseiter, wie wir.
Wir als LIVING COLOUR sind keine Metalband, keine Hip-Hop Band, keine Popband, keine Jazzband, aber wir sind all diese Sachen zugleich. Wir tuen es in unserer eigenen Art. „Middle men“ sind Individualisten und wir sind eben genau das. Wir leben in der Mitte von all dem.

Kruska: Für mich war die „Vivid“ Zeit auch die Ära von Muzz Skillings am Bass. Was passierte mit ihm?

Glover: Er spielt jetzt Gitarre in seiner Band namens „Medicine stick“ und macht viel Studio Arbeit, das erzählte er mir bei unserem letzten Treffen. Er hat viel zu tun und macht sein Ding.

Kruska: Warum verließ er LIVING COLOUR?

Glover: Da mußt du ihn selber fragen. Er musste Erfahrungen machen, ist aber noch am Leben und zieht sein Ding durch.

Kruska: Lass uns über „Which way to america“ auf Vivid reden. Es wurde von Mick Jagger produziert und er war der Grund zum Abbrechen von Interviews, wenn der jeweilige Redakteur ihn erwähnte. Warum?

Glover: Er glaubte, die Band verdiene eine Unterbrechung, er kam und sah uns. Eine der Gründe, warum er kam, um uns zu sehen, war Doug Wimbish. Doug arbeite mit ihm und Jeff Beck an seinem neuen Album und Doug sagte ihm er müsse unbedingt die Band von Vernon Reid live sehen und er solle sie sich dringend mal ansehen und sehen was das ist und das tat er dann auch. Seine Unterstützung, nachdem er uns gesehen hatte, öffnete uns die Tür, ob es uns half einen Plattenvertrag zu bekommen oder nicht war erstmal zweitrangig, die Band brauchte einen Break, er bat uns diesen an. Er sagte, alles was ich will sind zwei Songs, ich will nicht das ganze Album produzieren, eben nur diese zwei Songs. Ich will nicht das es um mich geht, sondern um das, was ihr tut, sagte Jagger. Deshalb kam er vorbei. Er kam als ein Gast und als ein Produzent. Das war cool.

Kruska: Genau das ist doch nahezu unmöglich, den Sänger einer der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten als Produzenten zu verpflichten und zu glauben, dies liesse sich verheimlichen. Von daher glaube ich, dass ihr einfach angepisst wart, mehr Fragen über ihn beantworten zu müssen, als über euch selber und euere Musik.

Glover: Um ehrlich zu sein, passierte das nur ein einziges Mal und da er nicht vor Ort war, gab es auch nichts darüber zu sagen, das war alles.

Kruska: Mit „Stain“begann die Doug Wimbish-Ära. Welche Rolle spielt Doug in der Band?

Glover: Doug hat all die Art von Musik gemacht, die wir immer versucht haben zu machen. Er war schon seit dem Beginn der Band da, war immer in der Nähe. Wir waren Fans der Musik und seiner Projekte, die er unterstützt und dargestellt hat und hatte, wie „Tackhead“ oder „Fats Commington“. Die Leute reden nicht darüber. Aber er ist einer der Gründungsväter des Hip Hop. All das Sugarhill-Zeug ist Doug Wimbish am Bass. Wir alle haben einen wahnsinnigen Respekt vor Doug und seiner Arbeit. Er hat das alles getan. Es klappte auf Anhieb, als wir zum ersten Mal mit ihm jammten.

Kruska: Lass uns über die Soloprojekte innerhalb der Band reden. War es wichtig für dich mitzubekommen, was Doug und Will mit HEADFAKE oder JUNGLEFUNK machten. Hast du das mitbekommen?

Glover: Wir hören uns gegenseitig alles an. Ich hörte mir „mistake and idendity“ an, hörte „Junglefunk“ und „Headfake“ und ich bin mir sicher, sie hörten sich auch mein Album an, auf dem Will mitspielt, das heißt „Hims“, Vernon Reid hat mir dabei ausgeholfen. Wir haben die ganze Zeit zusammengearbeitet, nur halt nicht als LIVING COLOUR und als wir dann endlich wieder zusammengefunden haben, hat es wieder geklappt. Es gab eine 10jährige LIVING COLOUR Pause aber nie eine Unterbrechung, für uns als kooperatives Arbeitsteam.
Was mir später auffiel, war nie, das wir nicht zusammenarbeiten konnte im musikalischen Bereich, sondern es waren immer die persönlichen Kommunikationsprobleme der einzelnen Charaktäre untereinander, die wir bearbeiten mussten.
Mit „Colleidoscope“ verarbeiten wir all diese persönlichen Probleme miteinander und fanden zurück zu unserer alten Stärke.

Kruska: Ich war froh, als ich „Colleidoscope“ zum ersten Mal hörte, das ihr eben nicht dem Drang des „Musicbusiness“ nachgekommen seit nach eingängigen Texten und poppigen Sound, der mehr Cd´s verkaufen lassen soll. Es wurde in verschiedenen Farben, aus „Vivid“/“Times up“& „Stain“ gemalt. Mit Songs wie „Flying“, wo es um den 11.September, bzw den 12.September 2001 geht...

Glover: ... mehr eigentlich um den 12.September, den Tag nach dem Anschlag auf den World Trade Center. Es geht um das Überwinden deiner eigenen Ängste, die ganze Platte geht um das Fertigwerden mit seinen eigenen Ängsten und den Mut zu haben sich mit diesen zu konfrontieren und zu sagen:“Ich liebe dich“. Egal was kommt. Es geht mir auch um die ganzen Individuen, die im World Trade Center waren und umgekommen sind. Die ihr Leben tagein und tagaus gelebt haben. Da gibt es einen Song, namens „Pocket of tears“ , in ihm geht es darum, das, egal was du tust, der Tag wird kommen und gehen, die Sterne werden scheinen, die Vögel werden singen, die Wolken werde kommen und gehen, die Sonne wird herauskommen, egal, ob du hier bist, oder nicht, also kümmere dich darum. Du wirst sterben. Die einzig wirklich sichere Sache im Leben ist, dass du stirbst. Das wird passieren, egal ob es dir klar ist oder nicht. Darum geht es in“tommorow never knows“. Auch ein Song wie „Great expactacions“ wo es darum geht, dass das Leben du zuerst verändert, bevor du das Leben verändern kannst.

Kruska: Auf „Colleidoscope“ habt ihr „Back in black“ veröffentlicht. Eine Mischung aus black pride und ein Tribut für den Metal?

Glover: Nicht wirklich. „Back in black“ wurde in der Vergangenheit viel von DJ´s benutzt aufgrund seines funkigen break Beats, sowie „Walk this way“ von AEROSMITH. Zur gleichen Zeitgibt es dieses Songthema, dass ironischerweise zu uns passt, afroamerikanisch zu sein. Ausserdem geht es im Song textlich auch an einer Stelle ums Lynchen und es ist schon sehr interessant einen schwarzen Sänger über das Lynchen singen zu lassen, das hat so etwas von einem ironischen Seitenhieb.
Wir versuchten für „Biscuits“ Songs zu finden, wie „Paint it black“ oder „Black sunday“. Songs mit“black“ im Titel. Das ist allerdings schon eine Zeit her. Also griffen wir „Back in black“ wieder auf.
In einer Kritik habe ich gelesen, dass ich im Karaoke Style Brian Johnson von ACDC zu kopieren versuche. Sorry-selbst an meinem besten Tag kann ich nicht annähernd so klingen, wie er.Ich verneige mich vor Brian Johnson und vor Bon Scott.

Kruska: Du outest dich also hiermit als ein ACDC-Fan?

Glover: Ich war immer eine Art von ACDC-Fan. Wie z.B. „Big balls“ oder „Thunderstruck“, das waren und sind grossartige Rocksongs, die den Begriff simple und dadurch grossartige Rockmusik neu definiert haben.

Wer hätte das gedacht. Corey Glover, der schwarze Vokalist der NYC Band Living Colour outet sich im Gespräch als Hardrocker mit ACDC als Lieblingsband. Die Fabrik war an diesem Abend zwar nicht, wie vermutet ausverkauft, wohl aber gut gefüllt. Nach vier fetten Zugaben wurden die Musiker der Crossover Legende LIVING COLOUR euphorisch gefeiert.
Eins von den Konzerten, dass mir auch aufgrund des vorrangegangenen Interviews noch lange im Kopf bleiben wird. Wir vergessen Mal die anfänglichen Tonprobleme und das zweimalige Anfangen bei einem Song, das macht die vier Musiker nur menschlicher. Ich hoffe, dass wir noch mehr und mindestens so intensive und unkonventionelle Songs aus NYC auf dem nächsten Studioalbum zu hören bekommen. Nils Robin Kruska

Nils Robin Kruska09.11.2003

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