Interview
Johnny Clegg
Die Rückkehr des weissen Zulu
Ein eher klein wirkender Bandleader und eine aus Schwarzen und Weißen bestehende World-Music Band spielt an einem Mittwochabend auf der Bühne der Hamburger Fabrik. Während die südafrikanische Formation einen Raum voller Ü30er fröhlich begeistert, steht der kleine weiße Südafrikaner mit seiner positiven Vibes verteilenden Charismatik im Mittelpunkt und spielt sich in die Herzen des Publikums.
Die Rede ist von Südafrikas erfolgreichster Musik-Export Formation der JOHNNY CLEGG BAND, unterwegs auf Ihrer „One life“ Europa Tour.
Das Publikum kennt einen Großteil seiner Songs, auch wenn viele neue Lieder einfließen, die in Deutschland zu diesem Zeitpunkt nur über den Merchandise Tisch in Form der neuen CD zu bekommen sind. Immer wieder absolute konzentrierte Ruhe zwischen den Songs, wenn JOHNNY CLEGG den nächsten Song erklärt.
Der Höhepunkt wenige Minuten später, JOHNNY CLEGG zelebriert mit seiner Backgroundsängerin Mandisa Mdangla den Zulu Tanz. Ein wilder Tanz, bei dem die Tänzer ihre Beine, während rhythmischer Vor- und Rückwärtsschritte, über den Kopf ziehen- auch Inhlangwini genannt.
Gittarist Andy Innes wirkt als musikalischer Kopf eher zurückhaltend, wenn auch fehlerlos tight und sauber eingespielt. Die Rhythmus Sektion um Bassist Mandlenkosi Zikalala und Drummer Barry Van Zyl bildet das musikalische Fundament der Band. Neu integriert wurde Keyboarder Dan Shout, der vielseitig Saxophon, Keyboard und Synthesizer einsetzt und von JOHNNY CLEGG als „The new one“ vorgestellt wird.
Wir befinden uns auf dem Deutschland Tour Auftakt der JOHNNY CLEGG Band in Hamburg, während der Kopf und gleichermaßen die Stimme der Formation bleibenden Eindruck hinterlässt.
JOHNNY CLEGG steht wie kein Anderer für den Begriff „World Music“, sieht man mal von Peter Gabriel ab. World Music, Pop-Rock, Latin, Samba, Reggae-kompromisslose Musik mit kompromissloser politischer Überzeugung. Die großen Erfolge feiert er in seinem Kontinent Afrika ebenso wie in Europa, besonders Frankreich ist mit unglaublich hohen Verkaufszahlen und Konzertbesuchern hervorzuheben.
JOHNNY CLEGG verbindet in seinem Siegeszug, Politik mit Musik und unterhält einen ganzen Konzertraum, ohne dabei oberflächliche Floskeln zu präsentieren.
Mit dem Album „One life“ kommt der weiße Zulu zurück auf europäische Bühnen. Sein Album „One life“ umfasst viersprachig (Englisch, Französisch, Zulu und Afrikaans) umgesetzt, 16 Tracks.
Zulu Chöre, Mandoline, Concertina, Herr CLEGG geht den mit „New world suvivor“ (2002) eingeschlagenen Weg konsequent weiter. Ein wenig poppiger, jedoch nicht ohne seine Wurzeln und Herkunft zu vergessen, präsentiert er sich selbstbewusst.
In Hamburg, Berlin und München dann, kehrt JOHNNY CLEGG mit seiner neuen Band ein.
Doch wer ist dieser Mitt-Fünziger, der in Afrika schon längst zur Kultfigur avanciert ist und problemlos große Venues füllt? In Deutschland sind das dann eher kleine bis mittelgroße Hallen. Die Begeisterung jedoch ist die Gleiche.
Wir trafen den südafrikanischen Ausnahme Musiker in Hamburg vor seiner Show, um u.A. Einzelheiten über das neue Album zu erfahren. CLEGG erklärt uns, warum er 14 Monate lang an „One life“ gearbeitet hat: „Ich war dauernd auf Tour und kam immer wieder zurück ins Studio, um dann wieder unterwegs zu sein. Ich schrieb viele, viele verschiedene Songs, 16 Songs aus 35 wurden dann auf das Album gesetzt, über das wir gerade sprechen. Bei Savuka lief das Songwriting über mich und dann habe ich mit ein paar Leuten die Tracks arrangiert.
Im Grunde genommen war ich aber komplett auf mich alleine gestellt. Ich produzierte das Album, schrieb es, war im Studio mit einem Engineer, um mit dem die Songs zu strukturieren. Ich arbeitete von der absoluten Basis, einem Schlagzeug Rhythmus, bis hin zu dem ausgereiften Song alleine. Ich nahm Ideen mit nach Hause, arbeitete an denen, kam wieder ins Studio und so weiter.“
Das aktuelle Album strotzt nur so von Vielseitigkeit und unterschiedlichen Musikrichtungen, die zeigen dass sich der musikalische Horizont des JOHNNY CLEGG vergrößert hat und er weiter neue Sachen ausprobiert.
„Ich versuchte verschiedene Experimente am Rhythmus der Songs, wie z.B. bei „Faut Pas Baisser Les Bras“. Ich liebe 2/3 , ¾, 6/8, 9/8 Takte. Andere Tracks wie „Devana“, „Bull Heart“ oder „Boy soldier“ sind ¾ Takte, die genau in diesen Sachverhalt reinpassen. Ich glaube, dass sich mein musikalischer Horizont mit „One life“ vergrößert hat. Pop, Rock, Latin, Hip hop und World Music sind vertreten und machen das Album zu einem neuen World Music Release.“ In seinen Songs benutzt er neben englischen, französischen und Zulu-Texten auch die Sprache der abgelösten südafrikanischen Regierung, die lange Landessprache war, „Afrikaans“.
„Es ist die Sprache der Unterdrücker, in gleichem Maße, wie die Sprache der von der Apartheid Regierung Unterdrückten. Ich wollte diese Sprache unbedingt benutzen, gerade auch weil ich Problem mit südafrikanischen Beamten hatte, die diese Sprache sprachen. Afrikaans wird von Jungendlichen benutzt, um sich in der Sprache von der Vergangenheit abzulösen. Genauso wie portugiesische oder französische Ausdrücke eingeflossen sind hat sich eine Slang-Sprachkultur gebildet.“
JOHNNY CLEGG hat ein differenziertes Verhältnis zum neuen südafrikanischen Staat, das teilweise auch von Angst und Misstrauen geprägt ist. Während er in den 90´er Jahren auf Tour war griffen Rebellen mehrere Male hintereinander sein Haus an, in dem sich seine Frau und sein Sohn befanden. Die „Bodyguards“, wie er sie nennt, zum Schutz seiner Familie eingestellt, flüchteten nach einer Zeit, aus Angst getötet zu werden. Keine wirklich perfekten Vorraussetzungen eine Tour zu bestehen. Bei den nächsten Malen nahm CLEGG seine Familie einfach mit. „Die politische Ironie in der Zeit der Abgeschiedenheit Südafrikas zu dem sich öffnenden Staat heute besteht darin, dass wir zu Zeiten der Apartheid keine Drogenprobleme hatten, es gab keine Mafia Bandenkriege wie heutzutage und in den südafrikanischen Top Ten Charts waren 6 Bands von nationaler Herkunft. Wir waren sicher, trotzdem wurde Südafrika komplett boykottiert, wirtschaftlich, wie kulturell. Jetzt sind unsere Grenzen offen. Unsere Polizei wurde weder geschult, noch hat Erfahrung im Umgang mit Gewalt. Die Abgeschiedenheit und Boykottierung trägt einen großen Anteil Ironie mit sich. Wir hatten unser eigenes Wirtschaftssystem in unserem boykottierten Staat, das losgelöst war von der Makroökonomie der restlichen Welt. Wie sollen wir uns jetzt in kurzer Zeit einstellen auf den Rest der Welt? Mbeki, unser derzeitiger Präsident muss eine unlösbare Aufgabe lösen. Der tut mir einfach nur leid. Das sind schrecklich komplizierte und komplexe Problemstellungen, für den Besten ausgebildeten Politiker und Ökonom nahezu unlösbar.“ Während JOHNNY CLEGG das Thema südafrikanischer Politik anschneidet wirkt sein Ton betroffen, hart, bestimmt. Die derzeitigen kulturellen wie gesellschaftlichen Veränderungen hat er am eigenen Leibe mitbekommen und ein Blatt vor den Munde zu nehmen liegt ihm nicht wirklich. Der Bereich Politik nimmt einen großen Teil seiner Antworten ein, so dass ich zum Schluss mit der Frage nach PETER GABRIEL und seiner Zusammenarbeit mit dem anderen großen Namen der internationalen World Music-Szene, sieht man von ihm selbst mal ab. „Wir wollten jemanden finden, der von seiner Art her nicht westlich orientiert war beim Abmischen des neuen Albums „One life“. TCHAD BLAKE mixte viele „Real world“-Produktionen von PETER GABRIEL. Er ist da sein Chef-Engineer. Er hat ausserdem noch LOS LOBOS abgemischt und sehr viel interessante Musik. Meine Musik ist nicht sehr einfach zu mischen. Ich habe eine sehr komplizierte Überlagerung der Instrumente, Stilistiken und Arrangements. Ich habe große, laute Stimmen, kleine Gitarren, dicke Schlagzeug Sounds. Jemanden der einen bestimmten Geschmack, weil es ein typischer Geschmack-Mix ist, wiedergeben kann, ist eben TCHAD BLAKE.
Ich fühlte mich nicht wohl bei dem Gedanken, alles alleine abzumischen. Ich schickte also die ersten 10 Songs nach London, in die Real World Studios von PETER GABRIEL. Selber mischte ich weiter 7 Songs mit meinem eigenen Egineer in Südafrika, um sie mit den von TCHAD gemixten Liedern zu vergleichen.“ PETER GABRIEL selber traf JOHNNY CLEGG auf der AMNESTY INTERNATIONAL Tour 1988 in Abidjan. Da die schwarze Bevölkerung weder BRUCE SPRINGSTEEN, noch STING, noch TRACY CHAPMAN kannten und er mit dem Album „Cruel, crazy, beatiful world“ seit Wochen die Top Position der Charts innehatte, wurde er als Headliner dazu bestimmt, die Leute in die Stadien zu ziehen,
was dann auch so passierte.
Heute, im Jahre 2006, ist er wieder unterwegs auf deutschen und europäischen Bühnen. Zwar ohne „Zuluka“ oder „Savuka“ seine Backing Bands vergangener Jahre, aber mit ebenso qualifizierten Musikern, genannt die JOHNNY CLEGG BAND.
Nach gut zwei Stunden und einem Feuerwerk alter, bekannter Hits wie „Scatterlings of Africa“, oder „Take my heart away“ und „Dela“, ist das Hamburger Gastspiel des südafrikanischen, multikulturellen Ausnahmemusikers vorbei. Noch lange nicht vorbei ist das positive und fröhliche Feedback, das JOHNNY CLEGG quasi mit seinen Songs in Richtung Publikum aussandte. Sein aktueller Longplayer „One life“ unterstreicht dies und bereitet schon jetzt Vorfreude auf das nächste Konzert und irgendwann dann das nächste Album. So kann Worldmusic im Jahre 2006 klingen!
Nils Robin Kruska, 20.12.2006
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