Interview

Nebelsarg - Die Sehenden unter den Blinden

Nebelsarg

Die Sehenden unter den Blinden

Die sympathischen Magdeburger Black-/ Death-Metaller von Nebelsarg standen Bizarre Radio Rede und Antwort.

BR: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Band zu gründen?

Goat Lucard (Gitarre/ Gesang): Also ich war gerade in der Situation, dass sich meine Band vor kurzem aufgelöst hatte. Daraufhin bin ich im Internet über musikermarkt.de auf Saris gestoßen, habe ihn gleich angeschrieben und wir haben uns am Herrentag getroffen, wo wir auch ziemlich schnell beschlossen haben, dass wir zusammen Musik machen wollten.

Saris (Schlagzeug): Genau. Ich hatte mich auch gerade von meiner damaligen Band In Obscurum Noctem getrennt und war selber gerade auf der Suche nach Musikern, mit denen man ernsthaft Musik machen könnte. Lucard und ich waren uns glücklicherweise einig darin, dass wir mit unserer Musik auch etwas erreichen wollten, uns also nicht nur zum Zeitvertreib trafen, sondern uns richtig hinterklemmen wollten. Dazu brauchten wir natürlich noch weitere Musiker, so dass wir wieder das Internet durchstöbert haben uns diesmal auf Luczyan und Thonar gestoßen sind.

Luczyan (Gitarre/ Gesang): Thonar und ich kannten uns schon, weil er mein Schwager ist und wir waren auch auf der Suche.

Goat Lucard: Das Treffen ging dann auch ganz fix, der erste Sänger war mit Niddroth auch schnell gefunden und schon stand die Band. Unser erster Proberaum war dann zwar einer wirklich beeindruckenden Location, nämlich der Ruine der ehemaligen Diamant-Brauerei in Magdeburg aber da war es dann doch dermaßen kalt, nass und verfallen, dass wir uns schleunigst auf die Suche nach etwas Praktischerem umgesehen haben.

Saris: Dann gab es ein paar Umbesetzungen, unser erster Sänger hat uns verlassen, dafür konnten wir aber sehr schnell Fenris begeistern. Thonar musste die Band leider aus beruflichen Gründen verlassen. Außerdem scheinen wir generell ein Bassistenproblem zu haben, hoffen aber, dass mit unserem derzeitigen Bassisten Sascha die Besetzung auch so erhalten bleibt. Und während dieser unruhigen Zeit ist aber trotzdem unser erstes Album „Grabwächter“ entstanden.

BR: Erzählt doch bitte vom Entstehungsprozess eures ersten Albums „Grabwächter“.

Saris (Schlagzeug): Also wir haben bei mir zuhause angefangen, das Album aufzunehmen, wobei uns Thomas von Abrogation tatkräftig unterstützt hat. Schlagzeug und Gitarre wurde direkt bei mir aufgenommen, den Gesang haben wir dann hier im Proberaum aufgenommen, beim Bass hat uns wieder Abrogation unterstützt. Gemixt und gemastert wurde es schließlich in Hamburg im Clintworks Studio. Das gesamte Booklet wurde von Schildkämpfer Design, einem Designer aus Magdeburg gemacht, der auch schon für verschiedene andere Bands gearbeitet hat.
Es steckt wirklich eine Menge Schweiß und Arbeit hinter dem ganzen Prozess

Luczyan: Ja und da merkt man eben wieder, dass wir alle auch wirklich dahinter stehen und es nicht nur so eine Art Ausprobieren werden sollte. Das hatten wir zu den Zeitpunkt alle schon hinter uns und haben uns dagegen entschieden, so zu arbeiten.


BR: Wie entsteht bei euch ein Song? Wo kommen die Ideen her? Würdest ihr sagen, dass jeder seine Ideen einbringt?

Goat Lucard: Also hier läuft es eigentlich so, dass wir alle Ideen haben und auch einbringen. Wir setzen uns dann zusammen und entscheiden, ob und wie eine bestimmte Idee eingebracht und als Text oder Musik verbaut wird.

Luczyan: Man merkt auch ziemlich schnell, wenn irgend eine Idee eben nicht funktioniert und wenn irgendwas nicht so klingt, wie man es gern hätte. So kann jeder sagen, wenn ihm etwas nicht passt, dann entscheiden wir gemeinsam, was wir ändern können.

BR: Wie schafft ihr es, eure verschiedenen Interessen und Einflüsse innerhalb der Band einzubringen?

Saris: Am meisten haben mich Immortal und Cradle of Filth beeinflusst.

Goat Lucard: Na gut, es würde sowieso nicht funktionieren, wenn wir nicht sowieso alle auf der gleichen Wellenlänge wären. So gibt es keine größeren Interessenkonflikte bei uns, sondern die Art der Interpretation, der persönlich Stil und die unterschiedlichen Vorlieben lassen sich extrem gut vereinen. Deshalb konnten wir uns zuerst auch musikalisch nicht einordnen. Wir haben einfach das gespielt, was wir gut fanden und das was dabei herauskam, war eben Nebelsarg.


BR: Musstest ihr, während das Album entstand, Rückschläge einstecken? Wenn ja, welche?

Goat Lucard: Also das erste große Problem war, die Leute zu finden, die deine Ideen unterstützen. Das fing schon mit dem Bandentstehungsprozess an.

Saris: Leute zu finden, die sich um das fertige Material kümmern, war wiederum gar nicht so schwer, weil der Markt sehr groß ist und wir außerdem das Glück hatten, dass das Clintworks-Studio durch das Mastering unseres Albums seine Reputation erhöhen wollte.


BR: Im Musikbusiness Fuß zu fassen ist nicht ganz einfach, außerdem ist der Markt recht unübersichtlich geworden. Welche Motivation habt ihr, trotzdem ins Business einzusteigen?

Goat Lucard: Unsere Motivation ist es einfach Musik zu machen. Es ist leider zu einfach geworden, Musik zu produzieren und zu veröffentlichen. Das einzige, was dich von der Masse abheben kann, ist Qualität. Wer wirklich gute Musik macht, der wird sich letztendlich durchsetzen. Daran glaube ich fest. Also meine Motivation ist das Zugehörigkeitsgefühl zu der Band und mein Hobby, das Musikmachen, ausleben zu können. Das funktioniert wie ein Ventil. Es steht bestimmt nicht im Vordergrund, Geld mit der Musik zu machen. Das dauert sowieso, ehe sich so etwas entwickelt.

(Luczyan nickt zustimmend)

Saris: Ich betrachte das auch als Ventil. Ich kann sagen, was mich stört, was mir zum Beispiel an der Gesellschaft nicht passt. Das kann ich alles durch die Musik ausdrücken.

Luczyan: Falls wir mit unserer Musik kein Geld machen, gut dann ist das eben so, ich habe aber die Gewissheit, dass ich mein Hobby ausleben konnte. Ich habe die Musik gemacht und bin stolz darauf. Mit Macht darauf hinzuarbeiten, damit Musik zu verdienen ist wohl auch unrealistisch. Es reicht mir völlig, wenn nach einem Auftritt irgendjemand zu uns kommt und positive Rückmeldung gibt. Dafür lebe ich in dem Moment. Ist mir auch egal, wenn wir vor nur 30 Leuten auftreten, wenn die dann aber voll dabei sind gibt mir das ein wahnsinnig gutes Gefühl.

Fenris (Gesang): Die Erinnerungen an das, was man mit der Band schon alles erlebt hat, steigert bei mir persönlich auch das Selbstwertgefühl. Das ist etwas, woran ich mich auch ganz bestimmt in Zukunft wieder gern zurückerinnere und was ich gern erzähle. Ich betrachte das Musikmachen weniger als Ventil, sondern eher als eine andere Welt, in die ich flüchten kann. Einfach um abzuschalten. Wenn ich vor dem Mikro stehe, dann bin ich nicht mehr ich, sondern werde zu Fenris.

BR: Ihr konntet euch schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erarbeiten. Kommen mit den kleinen Erfolgen auch Neider?

(Luczyan und Lucard lachen lauthals los)

Goat Lucard: Es gibt ein Sprichwort: Neid muss man sich erarbeiten! Wenn dann irgendjemand meint, dass er uns nicht leiden kann, weil wir vielleicht einfach besser sind oder etwas mehr Erfolge einfahren konnten, kann ich nur sagen: Pech!

Luczyan: Vielen Dank, dass ihr für uns Werbung macht, das bestätigt uns nur noch mehr…

Lucard: Es gibt tatsächlich so Einzelpersonen, die versuchen einfach unsachlich gegen uns zu hetzen. Um konstruktive Kritik handelt es sich jedenfalls nicht und es würde sich wohl auch niemand von denen mit mir hinsetzen und darüber diskutieren, was sie stört. Ist mir aber so was von egal. Der Teil ist wirklich so klein im Vergleich zu dem Lob, das wir für unsere Musik bekommen, das ich das überhaupt nicht ernst nehme.
Eins der tollsten Gerüchte, die ich mal über uns gelesen habe, war als man uns vorgeworfen hat, wie würden rechtsradikales Gedankengut in unseren Texte verbauen. Dan konnte ich dann aber zum Glück sehr schnell aufklären.

Saris: Man rutscht wirklich sehr schnell in diese Richtung und wird gezwungen, sich zu rechtfertigen, obwohl man mit der Thematik überhaupt nichts zu tun haben will. Da zwingen dich dann Leute, die einfach von der Materie keine Ahnung haben zu Diskussionen, auf die du überhaupt keine Lust hast, das kann schon ziemlich nerven. Eigenartigerweise ist man unter Umständen als Band nur dadurch schon vorbelastet, wenn man deutsche Texte verwendet und ein schwarz/ weißes Logo nutzt.

Luczyan: Und um die nächste Behauptung auch gleich anzusprechen: wir sind auch bestimmt keine satanische Band. Sozialkritisch, ja. Satanisch, auf keinen Fall.

(Alle nicken zustimmend)

BR: Kommen wir noch einmal zu „Grabwächter“ zurück, gibt es einen roten Faden, der sich durch das Album zieht?

Goat Lucard (überlegt): Nein, den gibt es nicht. Das Album ist eher eine Art Vorschau auf das, was noch kommen könnte. Wenn wir die Songs mal durchgehen, handelt „Jesus Freaks“ von der Abneigung der Kirche, „Nebelgeist“ verurteilt Mobbing, „Opferrache“ tut das gleiche mit Pädophilie. „Wasser des Vergessens“ ist vieles, zum einen beschäftigt sich der Song mit dem Klimawandel, „Sehende Blinde“ ist genau das, was der Name sagt und „Fallout“ ist ein epischer Anti-Kriegssong. „Das zweite Ich“ ist ein bisschen von Goethes Faust inspiriert. Der innere Zwiespalt und Kampf von Gut und Böse in einer Person.
Es ist vor allem wichtig, dass man nicht nur hört, sondern auch mitdenkt. Ich finde sowieso, dass es das größte ist, wenn ein Song den Hörer dazu bringt, sich auch mit dem Text zu beschäftigen und den dann auch nachempfinden zu können, so dass er zum Nachdenken anregt. Ich denke, dann hat ein Song sein Ziel erreicht.


BR: Ihr könnt bereits Festivalauftritte vorweisen, wobei es sich nicht um eine Selbstverständlichkeit handelt. Was ging in euch vor, als ich erfahren habt, dass das klappt?

Goat Lucard: Ich glaube, vor dem Auftritt hatten vor allem Saris und Thonar die meiste Angst. Bei mir ging es eigentlich und Fenris hat das auch ganz gut weggesteckt. Bei mir ist die Aufregung auch meist nach den ersten Tönen weg, dann sehe ich auch nicht mehr nach vorn, sondern beschäftige ich mich mit meinem Instrument.

Fenris: Ich würde mir gern eine Scheibe von Allen B. Konstanz von The Vision Bleak abschneiden, der als Sänger so eine wahnsinnige Bühnenpräsenz ist und das Publikum dermaßen gefangen nimmt. Da möchte ich gern irgendwann hin. So kurz vor dem Auftritt oder zwischen den Songs, da bin ich auch aufgeregt aber wenn ich dann meinen Text wieder singen kann, dann geht’s wieder.


BR: Was seht ihr als Vor- bzw. Nachteile von Festivals?

Goat Lucard: Man lernt schnell neue Leute und auch bekanntere Bands kennen. Aber ähnlich wie auch bei Club-Auftritten bekommt man während und nach dem Auftritt sofort positive oder auch negative Rückmeldungen. Du weißt sofort, ob deine Musik den Leuten gefallen hat oder nicht.

Fenris: Die Schwierigkeit bei Festivals ist, dass die Besucher an einem Tag mit so vielen Bands bombardiert werden, die sie mehr oder auch weniger gut finden. In dem Gewühl nicht unterzugehen und die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen ist schwierig. Die Gefahr ist groß, dass die Menschen mit der Einstellung „Kenne ich nicht, höre ich nicht“ rangehen und hier muss man sich irgendwie behaupten können.

Saris: Für uns ist es ein Vorteil, dass man relativ schnell eine große Menge Leute erreichen kann und auf sich aufmerksam machen kann. Ich sehe aber auch, dass die Gefahr der Reizüberflutung für Besucher von Festivals sehr groß ist.

Lucard: Ich wünschte mir, dass die Menschen offener auf neue Bands zugingen und ihnen zumindest die Chance geben würden, sich zu behaupten, statt sie von vornherein abzulehnen, was leider häufig geschieht. Wenn dann der Tontechniker noch alles richtig gemacht hat, bin ich doch zufrieden. Dann kann man die Chance wirklich nutzen, mit dem eigenen Können zu überzeugen.


BR: Was plant ihr für die Zukunft?
Fenris: Ein zweites Album, Songs schreiben, auf alle Fälle den Standard halten, Konzerte geben.

Saris: Ein Label finden. Und ich denke, mit dem Material, was wir jetzt schon für das zweite Album zusammen haben, wird es ein sehr würdiger Nachfolger von „Grabwächter“. Es wird definitiv intensiver werden…

Fenris: … vor allem ist aber inhaltlich auch der rote Faden erkennbar.

Bizarre Radio dankt herzlich für das interessante Interview und drückt die Daumen für die Zukunft!

Conny König11.11.2010

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