Cd-Besprechung
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Turbostaat waren in den letzten Jahren eine der interessantesten deutschsprachigen Bands überhaupt. Die kühle, norddeutsche Punkmusik mit den kruden, leidenschaftlich rausgeschrienen Texten fand irgendwann sogar so viele Anhänger, dass man mit dem letzten Album "Vormann Leiss" bei einem Sublabel von Warner unterkam. Prompt wurde genau dieses Album zum bisher unausgegorensten der Band - was auf keinen Fall bedeutet, dass es schlecht war. "Das Island Manøver" will jetzt trotzdem alles besser machen. Es funktioniert.
Herrschte bei den grandiosen ersten beiden Alben "Flamingo" und "Schwan" noch ein extrem roher und lauter Ton vor, wagte "Vormann Leiss" an so mancher Stelle den Blick über den Tellerrand, versuchte aufregender und vielseitiger zu wirken. Das war es zweifellos auch, der Funke mochte aber an mancher Stelle nicht so recht übersspringen. Wenn man sich jetzt Songs wie "Kussmaul" oder "Pennen bei Glufke" anhört, kann man deutlich hören, dass sie es heute irgendwie besser können. Das Gaspedal wird nicht mehr konstant durchgedrückt, es gibt mehr Chöre an den richtigen Stellen und der Großteil der Songs besitzt tatsächlich mindestens ein Versatzstück, dass man als Ohrwurm-Melodie bezeichnen kann. Und das will was heißen, wenn der Sänger nach wie vor klingt wie ein gesichtstätowierter Hooligan. Derbe Punksmasher gibts glücklicherweise immer noch ("Ufos Im Moor"), sie wechseln sich geschickt ab mit Songs, für die man schon fast das Unwort "Ballade" bemühen muss. Kann man diesen Begriff bei einem Refrain wie "Wenn der Sommer kommt / erwürg mich im Maisfeld" überhaupt verwenden ("Urlaub auf Fuhferden")? Der Titelsong bildet mit stolzen viereinhalb Minuten den Höhepunkt des Albums und vielleicht sogar des bisherigen Schaffens der Band: ein wunderschönes, düsteres Instrumental, das sich erst in Lautstärke und dann in Geschwindigkeit steigert, bevor der Gesang einsetzt und einem Textzeilen zum Niederknien um die Ohren fetzt ("Und hunderttausend Liter Blut in deinem Untergrund / Und die Menschen staunen und sie essen Eis / Machen Fotos von der Pracht").
Episch und trotzdem noch Punk, wo findet man sowas noch? In Flensburg, augenscheinlich. "Das Island Manøver" ist ein voller Erfolg. Und für die Leute, die sich jetzt nicht augenblicklich ein Konzertticket kaufen, bleibt mir nur ein Zitat aus "Kussmaul" übrig: "War das der Teufel / oder irgendein Gott / der dir in den Kopf gerotzt hat?"
13 Punkte (von max. 15)
Benedikt Ernst, 12.04.2010
TRACKLIST
1. Kussmaul ***
2. Surt & Tyrann
3. Fraukes Ende
4. Pennen Bei Glufke ***
5. Ufos Im Moor
6. Das Island Manöver ***
7. Urlaub Auf Fuhferde
8. Fünfwürstchengriff
9. Strandgut
10. Täufers Modell
11. Bossbax
12. Oz Antep
[ *** Anspieltipps ]
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