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Ein Buch über die Abgründe und Intrigen von Castingshows? Das klingt wie der wahr gewordene feuchte Traum sämtlicher notorischer Casting-Show-Hasser. Da die Autoren des Buches – Martin Kesici (Sieger von Star Search 2003) und Markus Grimm (Sieger von Popstars 2004 und somit Nu Pagadi-Mitglied) – ehemalige Absolventen der Casting-Tretmühle sind, ist die Erwartungshaltung natürlich hoch, dass den Leser hier das ein oder andere Skandälchen erwartet und er einen unverfälschten und intimen Blick hinter die Kulissen der nach außen hin glitzernden Show- und Sternchenwelt werfen darf. Das auf dem Bucheinband abgedruckte Zitat von Markus Grimm („Ich war noch nie so weit weg von meinem Traum wie während der Zeit mit Nu Pagadi. Wir waren ein Produkt – und noch dazu eines, das sich scheiße verkaufte.“) klingt jedenfalls erst mal nach einer schonungslosen Abrechnung mit Bohlen & Co. Gleichzeitig hat das Ganze aber auch das Geschmäckle von zwei Typen, die nun, da sie wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallen sind, reflexartig um sich schlagen und sich als Opfer dunkler Machenschaften darstellen. Wobei sie allerdings vergessen, dass man die nun angeprangerten Mechanismen seinerzeit bewusst in Kauf genommen hat und es genau dieses nun so ach so böse Business war, das ihnen ihren kurzen Funkenflug über den schnell vergänglichen Popstars-Himmel erst ermöglicht hat.
Ich möchte gar nicht bestreiten, dass die Sieger von Castingshows von den Sendern, dem Management, der Produktions- und der Plattenfirma im wahrsten Sinne des Wortes verheizen und diese sich selbst das dickste Stück vom Kuchen abschneiden, während für die Künstler selber nur ein paar Krumen übrig bleiben. Aber das sollte sich eigentlich rumgesprochen haben. Gleiches gilt für diejenigen, die davon ausgehen, als Sieger solcher Shows ein laues Leben führen zu können, hier und da mal einen Auftritt, ein bisschen Fankontakt und Promoarbeit, Absteigen in den besten Hotels, etc. Natürlich besteht ein Promi-Leben aus Druck im Allgemeinen, Zeitdruck, wenig Schlaf und vieles mehr. Und natürlich fällt das Geld auch nicht einfach so vom Himmel. Wenn davon ausgeht, dass die Sender oder Plattenfirmen den ganzen Aufwand aus reiner Menschenliebe betreiben, muss sich wohl den Vorwurf gefallen lassen, extrem naiv oder ein vollkommener Idiot zu sein.
Gleichwohl ist die Opferrolle, die sich die beiden da auf dem Leib schneiden, zu einem gewissen Grad sogar berechtigt. Was z.B. Martin Kesici über die 48 Stunden nach seinem Finalsieg schreibt, gibt einem schon zu denken. Statt – wie erhofft – direkt auf die Party zu gehen und einfach nur zu feiern gab es einen endlosen Foto- und Interviewmarathon vor der Bühne bzw. beim Eintreffen auf der Aftershow-Party. Und als der gute Martin sich dann endlich nach Stunden ein Bier genehmigen wollte, sagte man ihm, dass das wohl nicht ginge, da er am nächsten Morgen ja schon um fünf Uhr aufstehen müsse für den Videodreh zu „Angel Of Berlin“. Das hätte ich mir sicherlich auch anders vorgestellt.
Phasenweise hat man den Eindruck, einen ehrlichen und ungeschönten Einblick ins Seelenleben der beiden Autoren zu erhalten, z.B. wenn Martin Kesici über seine Kokainerfahrungen schreibt oder Markus Grimm sich kritisch mit seiner Rolle beim Rauswurf der ehemaligen Bandkollegin Doreen auseinandersetzt. Es gibt aber auch Stellen, bei denen ich so meine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Darstellung hatte. Zum Beispiel, als Martin Kesici schildert, dass er zusammen mit anderen Castingkandidaten in einen Raum getrieben wurde, in dem der Plattenboss der Gruppe die Idee einer gemeinsamen Single vorstellte und ihnen bei dieser Gelegenheit auch eine Demoversion des Songs vorspielte. Martin – immerhin ausgewiesener Metalhead – fand den Song natürlich unmöglich und wollte aussagegemäß an dieser Stelle aus der Castingshow aussteigen, da er seine Ideale nicht verraten wollte. Das Ergebnis kennen wir alle: Er ist natürlich nicht ausgestiegen. Die Begründung hierfür liefert auch gleich mit: Als er gerade aufstehen wollte, sagte der Plattenboss, dass zu der Single natürlich auch ein Video gedreht werden würde und das fand der Martin dann so dufte, dass er sich dazu entschloss, dann doch zu bleiben. Ich möchte Herrn Kesici hier nicht unbedingt eine Lüge unterstellen, aber für einen Mann, der nicht müde wird zu erwähnen, dass er sich nicht verbiegen lassen würde, klingt diese Begründung doch arg an den Haaren herbeigezogen.
Trotzdem ist „Sex, Drugs & Castingshows“ ein lesenswertes Buch. Denn der Leser erhält auf rund 430 Seiten einen – vielleicht nicht immer unverfälschten - Einblick in die Maschinerie der rein geldgetriebenen Popbranche, bei der der Mensch nicht wirklich etwas zählt. Abgerundet wird das Buch durch eine Schlussbemerkung von Markus Grimms ehemaligen Bandkollegen Patrick Boinet, Anmerkungen von Mario Eilfeld, dem Vater der DSDS-Kandidatin Annemarie Eilfeld sowie einen rund 50 Seiten Starken Abdruck von Originalverträgen und –dokumenten. Das Buch stellt vor allen Dingen eine empfehlenswerte Lektüre für diejenigen dar, die selber davon träumen, mittels einer Casting-Show entdeckt zu werden. Dummerweise dürfte gerade diese Gruppe in ihrem Enthusiasmus oder in ihrer Naivität davon ausgehen, dass sie dieses Schicksal natürlich nicht treffen wird, sollten sie es denn bei der Show bis aufs Siegertreppchen schaffen.
12 Punkte (von max. 15)
Jürgen , 06.10.2009
TRACKLIST
Broschiert: 432 Seiten
ISBN-10: 3868830235
ISBN-13: 978-3868830231
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