Cd-Besprechung
Leserwertung: 10.0 Punkte
Stimmenzahl: 1
Plastisch aber Populär
Irgendwann in das geachtete elektrosoundbouquet, bei dem die Synthitöne noch immer entfernt an die samstagabendliche wettsequenzhintergrund der deutschen Unterhaltungsschau erinnern, setzt kernig unerbittlich, geradlinig und dunkel ihre Stimme ein. Kurze Verwirrung, Suchen, ja: Sian Evans, man erinnert sich wieder. Clubhits im Hinterhirn, angefangen mit hide u über catch, flankiert von dem eigentlich schon zu schwerelosen hungry, dem der charakteristische und die Band adelnde Bassrhythmus fehlte.
Well, was hat Bristol und damit die dort ansässige Band kosheen jetzt hervorgebracht? Drei Jahre älter sind die beiden Herren (Markee Morrison, Darren Beale) um, und mit ihnen, die Frontfrau geworden und es ist Zeit, einen Blick in das Booklet zu werfen, das abgesehen von der gewollt fotoästhetischen Selbstinszenierung der Bandmenschen zumindest farblich wohlwollende Erwartungshaltung zu erzeugen weiss. Der Sprung in der glasklaren Optik des prägewitterlich getönten Himmels könnte schon als Verweis auf die Welt dahinter dienen, oder einfach auf einen besonders ansehnlichen Videokniff, dessen sich zb Bloc Party bei The Prayer bedienen. Doch dort wie hier wird nicht gebetet und ab dem dritten Track nützen eben auch Stossgebete nichts mehr. Das ist schade, denn drei Jahre Pause und Sammlung, wie es allen Interviews und Beizetteln zum Release dieser dritten Platte damage zu entnehmen ist, könnten doch einer Entwicklung im Musikalischen Vorschub geleistet haben, wenn man schon, wie nach Hits eben üblich, Rückbezüge und Vergleiche zum längst Geleisteten herstellen muss.
Natürlich ist track 2 overkill hitkompatibel gemixt. Das kann man so stehen lassen. Was dann kommt ist der Gewöhnungseffekt nach Wiederholungshören und er lässt zu, dass man die Hitauskopplung fast tanzbar findet, mit den üblichen Reminiszenzen an die 90er Jahre-Tanzkultur, als der Bekanntenkreis sich gerade in Housefreunde und Technocraten spaltete.
Bei songs wie „out of this world“ möchte man aber zu Beginn des „Refrains“ am liebsten rufen: Anfängerfehler! Wie kann man nach einem eigentlich hübschen Intro wieder in eine fast darkcharakterliche Lautenliederei verfallen? Mittelaltermarkt grüßt von Ferne. Zwischen diesen Polen changieren fast alle nachfolgenden Songs der Platte. Selbstredend ist dies dem Popbedürfnis und der damit zu erreichenden Breite des Publikums geschuldet. Für echte Freunde von „Jungle und Drum’n’Bass“ (The One) könnte man sich nun zur dritten Platte aber etwas mehr Mut zutrauen und hörbare Geräuschschöpfung mit atmosphärischer Melodei, jedoch ohne Schallmeienerei erwarten. Dass kosheen das können zeigen sie zb mit under fire und fast gekonnt mit dem PlattenabSchluss. Track 14 your life macht einen schließlich glauben, nach 13 tracks der Übung (ohne die vorangegangenen Platten)gestehen sie dem schön leicht entnervten Hörer die elektronische Feinentrückung zu, die sie mit so vielen Anrissen versprachen.
Nach durchgehörter damage ist klar, woher die Zerstörung kommt: aus dem Ärgernis. Egal wie gut die Songs beginnen, wie hinterhältig sie sich in die Random-repeat-Schleifen der Kopfwiedergabeliste einfädeln, alles in allem sind sie zu populär. Der bereits im Booklet und auf der homepage (vgl. www.kosheen.com) angedeutete Riss in der Vorstellungswelt mag von der Band als „das tragende Gefühl der Hoffnung, dass die Schönheit des Lebens am Ende wieder siegen und erblühen wird“ (Beilage „the one“/ kosheen.com) angedacht gewesen sein. Tatsächlich steht er für genau den Sprung im Lieblingsglas, das man sich doch nur mit der schönen Seite aufs Regal stellen kann, man wird aber nicht mehr oft, falls überhaupt, in Anbetracht des IkeaTrinkglasüberangebots unserer Tage daraus trinken.
Kosheen: damage, Release 23.02.2007, Tourdaten auf www.kosheen.com.
9 Punkte (von max. 15)
Sarah Schneider, 27.03.2007
TRACKLIST
1. Damage
2. Overkill
3. Like A Book
4. Same Ground Again
5. Guilty
6. Chances
7. Out Of This World
8. Wish You Were Here
9. Thief
10. Under Fire
11. Not Enough Love
12. Cruel Heart
13. Marching Orders
14. Your Life
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