Cd-Besprechung
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Ist der eigene Schatten erst einmal groß genug, fällt es zusehends schwer, ihm zu entkommen. Jo Halbig, sein Bruder Fabian und ihr Bandkollege Max Schlichter können davon ein Lied singen. Als die KILLERPILZE sind die drei Bayern vor sechs Jahren ins Rampenlicht der Poplandschaft gerückt worden. Mit kräftiger Unterstützung der Bravo und Viva wurden sie der zahnspangentragenden Teenagerschaft als Punk-Gegenstück zu den damals in die Charts schießenden TOKIO HOTEL verkauft – und das wohl nicht ganz freiwillig. Klar zielte ihr seichter Poppunk auf eine ähnliche Zielgruppe ab, und wenn man sein Debütalbum bei einem Majorlabel wie Universal aufnimmt, ist man Profit wohl auch nicht gänzlich abgeneigt. Das recht junge Alter der Bandmitglieder (17 und in Fabians Fall sogar erst 13) ließ die Mädchenherzen sowieso schon höher schlagen, da tun ein paar Klatschgeschichten und Bravoposter natürlich erst einmal gut. Doch der mediale Overkill schien der Band zu weit zu gehen; auch weil die Musik dadurch ins Hintertreffen geriet. Schon mit dem Zweitling „Mit Pauken und Raketen“ versuchte sich das Trio aus der Vermarktungskette zu lösen; doch die Maschen eines Majorlabels sind eng. Die Band löste sich vom unerwünschten Einfluss und stand beim dritten Album „Lautonom“ mit Unterstützung ihres Produzenten Corni Bartels schließlich auf eigenen musikalischen Beinen. Ihr eigenes Ding ziehen die Halbig-Brüder und Kollege Max auch auf dem neuen Album „Ein bisschen Zeitgeist“ weiter durch. Der Retorten-Gitarrenpop ist ernstzunehmenden deutschen Punkrock gewichen. Das Tempo ist hoch, die Riffs knacken, die Texte sind intelligent, ironisch, wortgewandt. Im Opener „Boom“ verkaufen die KILLERPILZE sich als Allzweck-Produkt, ein überspitzter Seitenhieb auf die oben angesprochene „Bravo-isierung“ ihrer Musik. „Wenn Blicke treffen“ schmeißt einen mit fetten Riffs in die Mitte einer Straßenschlacht. Die weiteren Songs erzählen vor allem von Mädels und Beziehungen, dem Leben auf Tour, der neuen Heimat Berlin. Reflektiert und zynisch, aber eben eher persönlich - dazu will das Booklet so gar nicht passen: Sepia-farbene Bilder von Überwachungskameras und gesichtslosen Hochhausfassaden, dazu der Albumtitel – das wirkt zu bemüht politisch. Hier scheint auch deutlich der professionelle Ansatz der Band durch; auch ohne Majorlabel im Rücken wissen die KILLERPILZE, auf was es ankommt. Sie wollten wie eine Punkband klingen, jetzt klingen sie so. Die Songs sind perfekt arrangiert und produziert – so berechnend waren Vorbilder wie DIE TOTEN HOSEN oder ZSK auf ihren ersten Alben sicher nicht. Nichtsdestotrotz, „Ein bisschen Zeitgeist“ ist ein weiterer großer Schritt aus dem Schatten der Anfangstage heraus, und auch einer in die richtige Richtung. Wie „punk“ das jetzt ist, darüber kann man sich streiten, aber auf jeden Fall rockt es. Und fürs junge Publikum ist es der richtige Wegweiser –hinterm Monsun gibt’s auf jeden Fall noch einiges zu entdecken.
11 Punkte (von max. 15)
Enno Küker, 18.04.2011
TRACKLIST
1 Boom
2 Wenn Blicke treffen***
3 Jubel und Staub
4 Komm Komm.com
5 Marie***
6 Albtrauma
7 So weit so gut***
8 Zeitgeist
9 Schicksalsscheiß
10 Morgenland
11 97 Tage
12 Alles kaputt
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