Cd-Besprechung
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Martin Scorsese ist Idealist, der gerne das macht, was man nicht von ihm erwartet. So hat er sich unter den Hollywood-Regisseuren einen einmaligen Ruf erarbeitet und legendäre Filme gedreht. Scorsese ist dazu ein Romantiker. Das erklärt auch, warum er zuerst den alternden Rolling Stones mit „Shine a Light“ ein spätes filmisches Denkmal setzte und ein bisschen erklärt es auch, warum Scorsese dem „stillen Beatle“ George Harrison einen Dokumentarfilm widmet. Aber auch nur ein bisschen, denn die Intention des Regisseurs, der ja immer auch ein wenig Fan ist, Harrisons Biographie eine neue Komponente zu geben, geht nicht ganz auf.
George Harrison ist das Nesthäkchen der Beatles. Als die Jungs in der Urbesetzung mit Stuart Sutcliffe und Pete Best Hamburg unsicher machen, ist George 17 Jahre jung. Es dauert nicht lange, da wird der kleine George fester Bestandteil der bis heute wohl besten Band der Welt. Die Doku „Living in a material World“ (benannt nach einem Soloalbums Harrisons) versucht sich an einer Neuentdeckung des Leadgitarristen, bietet aber nie wirklich Neues oder Überraschendes.
Die Geschichte erzählen die noch lebenden Protagonisten selbst: Paul McCartney, Ringo Starr, Eric Clapton, Harrisons Ehefrauen und viele Weggefährten. Ohne Erzähler lässt Scorsese Bilder sprechen, intime Interviews erledigen den Rest. Die Geschichte Beatles wurde schon oft dokumentiert, aber nie so gut wie aus der Sicht des schüchternen Gitarristen George Harrison, das ist eine der Errungenschaften des Films, sie erlaubt einen anderen Blick auf die ersten Popstars der Geschichte. Harrisons Rolle in der von McCartney und Lennon dominierten Beatles-Welt bleibt eine untergeordnete. McCartney weiß was er an Harrison hat, seine Treue, sein leidenschaftliches Gitarrenspiel, die Songs schreiben aber bitteschön die Hausherren selbst (wie selbstherrlich McCartney doch manchmal wirkt...bäh).
Harrison versucht sich an Songs, kann sich aber selten gegen die Macht des Duos durchsetzen. Andererseits sind seine ersten Songs auch nicht wirklich gut, das sagt er selbst im Film. Dennoch hat Harrison mit „Something“ und natürlich dem grandiosen „While my guitar gently weeps“ Klassiker verfasst. Aber er errichte nie die Fließband-Hitmaschine der Firma Lennon/McCartney. Der fehlende Einfluß, die Mißachtung nagte an Harrison. Er suchte sein Heil im Spirituellen. Die materielle Welt hatte ihm bald nichts mehr bieten. Meditation, das Mantra interessierte ihn bald mehr als die Beatles. Und wäre die Band nicht gescheitert, Harrison hätte selbst die Reißleine gezogen.
Die Post-Beatles-Ära beginnt verheißungsvoll für Harrison: Er kann endlich all seine geschriebenen Songs veröffentlichen (gleich als Doppel-Album!): Und tatsächlich sind einige Hits darauf zu finden. Danach geht es musikalisch abwärts. Clapton, sein bester Kumpel spannt ihm seine Frau aus, seine Alben floppen, dazu kommt das obligatorische Kokain alternder Rockstars. Dennoch schafft es Harrison sich treu zu bleiben, er findet seine spirituelle Mitte.
Scorseses Intention den schüchternen Beatle endlich mal von einer anderen Seite scheitert, denn an Harrison ist einfach nicht mehr dran: Ein passabler Songschreiber (im Vergleich zu Lennon/McCartney), ein ruhiger Mann mit einfachen Bedürfnissen (sein Hobby war die Gärtnerei) und ein leidenschaftlicher Musiker. Das muss doch reichen, Herr Scorsese. Lassen wir es dabei...while my guitar gently weeps.
11 Punkte (von max. 15)
frank fischmann, 11.12.2011
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