Cd-Besprechung
Leserwertung: 10.2 Punkte
Stimmenzahl: 39
Nach knallig Orange-farbener Stickerei auf schwarz-purpurfarbenem Samt und silbern-hingekleckstem Flüssigkeits-Schriftzug erwartet alle French House Jünger jetzt der Blick in die Glotze. Das neue Daft Punk Album besticht mit verschwommener, nur durch Betätigen der Pause-Taste am Flimmern gehinderter Testbild Optik. Nach einem Debüt voller Experimentierfreudigkeit, Ungestüm und Vorbild-Ehrerbietung und einem Anime-Weltraum-Saga-Konzeptalbum-Nachfolger sind es bei Album No. 3 zwei Themenblöcke die den Ton angeben: Mensch vs. Maschine einerseits und die allumfassende und den Menschen Tag und Nacht beeinflussende Tele-Vision andererseits. Bitte wagen Sie bei an dieser Stelle eintretender Verwirrung einen Blick auf die Tracklist und lassen Sie diverse, dort aufgeführte Wörter auf sich wirken.
Play: Human After All. Aha, die Tatsache, dass neuerdings sogar Rockbands einen Trip ins Elektroland wagen und die Grenzen zwischen Saiten und Fellen auf der einen und Tasten und Knöpfchen auf der anderen Seite immer durchsichtiger werden ist den französischen Dance Pionieren weder verborgen geblieben noch spurlos an ihnen vorüber gegangen. Klingt nach Band, klingt nach Gitarre, klingt nach Verzerrer und Voice-Decoder. Genauso wie die funky nach Garage-House schmeckende Single Robot Rock. Dem guten Franz Ferdinand per Remix ein neues Gewand zu verpassen hat anscheinend Eindruck hinterlassen. Die Steam Machine fühlt sich an wie das Fingerspitzen-Testen von zu heißem Wasser. Das weiß zu erschrecken, gefährlich irgendwie und doch zu kurios als das man weghören wollte.
Schüchtern, weichherzig, sanftmütig und andächtig steht das süße Make Love genau in der Mitte. Pianoklänge, eine leise Stimme von weit weg, eine zwischen Reggae und Funk pendelnde Gitarrenspur, mehr braucht es nicht und nicht wenige verliebte und sich nach dem jeweiligen Lebens-Abschnittsparter verzehrende Humanoiden werden dieser Aufforderung nur zu gerne nachkommen. Jedoch nur solange bis der Brainwasher ihnen mit aggresiv-hämmernden Technosounds die Flausen aus dem Kopf schmettert. Wann genau haben sich die Chemical Brothers mit The Prodigy verbündet und Frankreich eingenommen?
Es folgen: ein langsam und gemächlich groovender Monsterbass namens Television Rules The Nation, ein schnatterndes Helium Stimmchen mit treibender Elektro-Untermalung auf Platz 9 und das abschließende Emotion mit viel viel Zeit, sich zweimal von Neuem auftürmendem Songaufbau zwischen allerlei liebevoll übereinander gelagerten Soundschichten und der Frage ob man sich davon jetzt in den Schlaf wiegen oder doch noch in die Nacht hinaus schubsen lassen sollte.
Und was bleibt ist zunächst mal die Einsicht, dass dieses Album einen gewissen Anlauf braucht. Daft Punk Hits aus vergangenen Tagen wie Revolution 909, Burning oder Crescendols waren da schneller im Ohr. Kein Uptempo-House mehr, dafür Elektro-Techno-Groove-Pop mit künstlichen Gitarrenklängen. Kein Album 1 + Album 2 = Album 3. Nein, diese dritte Platte ist anders, aber schlüssig. Das offenbaren die Hördurchgänge 8-15, wenn man erkennt, dass Human After All in sich geschlossen und stimmig ist. Am besten Zeit nehmen und am Stück hören. Einziger Minuspunkt: der ein oder andere Song hätte eine Kürzung vertragen können und wäre damit dann aus dem Album herausgepickt knackiger geworden. Trotzdem thumbs up, denn hier sind zwei Typen am Werk, denen mal wieder niemand was vor- geschweige denn nachmachen kann. We are all human – after all...
12 Punkte (von max. 15)
Bogatzke , 08.03.2005
TRACKLIST
1. Human After All ***
2. The Prime Time Of Your Life
3. Robot Rock ***
4. Steam Machine
5. Make Love ***
6. The Brainwasher ***
7. On/Off
8. Television Rules The Nation
9. Technologic
10.Emotion ***
[ *** Anspieltipps ]
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