Cd-Besprechung
Leserwertung: 5.4 Punkte
Stimmenzahl: 13
Burt Bacharach ist zurück. Der Mann, dessen Karriere bereits sechs Dekaden umspannt und mit dessen Stücken es nicht schwer fallen würde, einen ganzen Abend unter dem Motto „Die größten Hits aller Zeiten“ zu gestalten. Beispiele? „Raindrops Keep Falling On My Head“, „What’s New, Pussycat“ oder „I Just Don’t Know What To Do With Myself“ (ursprünglich für Dusty Springfield im Jahre 1964 geschrieben, im letzten Jahr live veredelt von den White Stripes) – die komplette Liste bitte googlen! Der Mann, dem es schon oft kongenial gelang, zurück zu kommen: zuletzt Mitte der 1990er, gemeinsam mit Elvis Costello und dem wunderschönen Songreigen „Painted From Memory“.
Nun also, fast 10 Jahre später, scheint es zunächst, als würde wieder alles stimmen. Elvis Costello ist bei einem Track wieder mit von der Party, ebenso wie der ganz und gar wunderbare Rufus Wainwright. Und als wäre das nicht schon genug, zeichnet sich auch noch, was wirklich überrascht, Dr. Dre für die Beats von gleich drei Stücken verantwortlich.
Das Ganze mutet nach dieser Beschreibung natürlich schnell an andere große, alte Männer an, die ebenfalls mit gewisser Unterstützung zurückkamen – Johnny Cash (Rick Rubin) als positives Beispiel auf der einen Seite, Carlos Santana (unter anderem mit Rob Thomas) als negatives Beispiel auf der anderen. Bei Bacharach nun scheint sogar ein tieferer Sinn dahinter zu stecken – denn er schrieb zum ersten Mal in seinem Leben hoch-politische Lieder, die er offensichtlich insbesondere in Kreisen gehört haben will, die er ansonsten mit seiner Musik nicht erreichen könnte. Im Costello-Duett „Who Are These People“ beispielsweise heißt es: „Who are these people that have been telling us lies?/ And how did these people get control of our lives?/ And who’ll stop the violence ‘cause it’s out of control?/ Make them stop!”
Soweit, so gut. Aber über die Musik selbst haben wir noch überhaupt nicht gesprochen. Und die verheißt nichts Gutes: denn leider lässt jedes einzelne Lied von „At this time“ die Vermutung nahe liegen, dass es nicht gelingen wird, diesen politischen Statements Gehör zu verschaffen. Die Musik ist nicht nur stink langweilig, sie nervt auf Dauer ungemein. Die Stücke (alle!) sind zugekleistert mit einem schrecklichen Saxophon sowie einem Keyboard-Sound, den man froh war seit Jahrzehnten nicht mehr hören zu müssen. Die Musik in Fahrstühlen, die Sounduntermalung von VOX-Tours oder billigen Soft-Pornos und das Nachtprogramm von öffentlich-rechtlichen Radiostationen (dann, wenn sie sicher gehen können, dass wirklich keiner zuhört), wirken im Vergleich geradezu innovativ. Wobei anzumerken ist, dass diese Vergleiche sehr bewusst gewählt wurden, denn so ähnlich klingt „At this time“.
Aber sei’s drum: Die Botschaft stimmt, dem Lebenswerk Bacharachs wird es sicherlich nicht schaden, alte Fans werden das Album ohnehin kaufen (finanziell also auch kein Schaden), evtl. finden sich sogar ein paar Dre- oder Wainwright-Anhänger, die den Kauf riskieren und zu guter Letzt können wir sicher sein, dass zumindest der Rolling Stone in seiner November-Ausgabe die Platte euphorisch feiern wird.
3 Punkte (von max. 15)
Daniel Höfelmann, 02.11.2005
TRACKLIST
1.Please Explain
2.Where Did It Go?
3.In Our Time***
4.Who Are These People?
5.Is Love Enough?
6.Can't Give It Up
7.Go Ask Shakespeare
8.Dreams
9.Danger
10.Fade Away
11.Always Taking Aim
[ *** Anspieltipps ]
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