Cd-Besprechung
Leserwertung: 15.0 Punkte
Stimmenzahl: 3
In Musikerkreisen scheint es im Moment in Mode zu sein, klassische Bandstrukturen hinter sich liegen zu lassen. Lieber ruft man schon „Projekte“ ins Leben, findet sich zu Musikerkollektiven zusammen. Das Treiben in Omaha um das Label Saddle Creek ist ein Beispiel dafür. Ähnliches vollzieht sich zur Zeit in Kanada, wenngleich in nicht so offensichtlicher Weise. Unlängst veröffentlichte die kanadische Formation Broken Social Scene mit „You Forgot It In People“ ein Album, das sich beinahe allen Konventionen medienwirksamer Musik widersetzte. Eine unübersichtliche Vielzahl von Musikern aus diversen kanadischen Indie-Bands tat sich zusammen, um ein nicht minder unübersichtliches Stück experimenteller Musik aufzunehmen.
Was hat das jetzt mit Apostle Of Hustle zu tun? Nun, das Experiment geht hiermit in die zweite Runde. Für Apostle Of Hustle zeichnet in erster Linie Andrew Whiteman, seines Zeichens Gitarrist bei Broken Social Scene, verantwortlich. Das Resultat ist jedoch – nur ein Narr hätte anderes erwartet – mitnichten eine Solo-Eskapade. Auch hier wird an Musikern nicht gegeizt, werden die Instrumente (Gitarren, Klaviere, eine Harmonika, usw.) in Bussen herangefahren, gleich ganze Turnhallen zum Übernachten angemietet. Zumindest ist man geneigt, dies zu vermuten.
Musikalisch schlägt sich das in eigenwilligem Indie-Pop nieder, wobei die Bezeichnung „Pop“ in diesem Fall mit dicken Fragezeichen zu versehen ist. Mitnichten so eingängig wie bei Grandaddy oder Built To Spill, sondern zerfahren und experimentell geht es hier zu. Fast könnte man von Post-Rock sprechen. Verquere Rhythmen paaren sich mit komplexen Gitarren-Arrangements, Mann-Frau-Gesang und produktionstechnischen Extravaganzen. Da kann es schon einmal passieren, dass ein Song nicht weniger als fünf mal den Charakter wechselt. Oft fällt dabei die Orientierung schwer, aber mit der Zeit zeigt sich immer deutlicher, wie virtuos Apostle Of Hustle zu Werke gehen und wie abwechslungsreich dieses Album ist. Weniger Ausdauer benötigt der Hörer bei „Energy Of Death“. Gleich beim ersten Durchgang erweist sich dieser Song als ein kleiner Hit, der die Gratwanderung zwischen anspruchsvollen Arrangements und einem gesunden Maß an Pop-Appeal ungewöhnlich gut meistert. Dabei soll es natürlich nicht bleiben. „Dark Is What I Want / Strutters Ball“ etwa weiß durch ein wundervoll übersteuertes Schlagzeug zu begeistern. „Kings & Queens“ ist ein weiteres Muster in puncto Abwechslungsreichtum.
Dem durchweg positiven Eindruck ist es dann auch nicht mehr abträglich, dass Apostle Of Hustle in der zweiten Hälfte des Albums das Tempo spürbar reduzieren und der Musik eine etwas besinnlichere Form geben. Das trägt so eher dazu bei, dass der Hörer angesichts der überwiegend diffizilen Musik nicht ermüdet. „Folkloric Feel“ – ein Album, das Mitarbeit erfordert, die aber fürstlich entlohnt wird.
10 Punkte (von max. 15)
Martin Baum, 05.11.2004
TRACKLIST
1. Folkloric Feel ***
2. Sleepwalking Ballad
3. Baby, You're In Luck
4. Energy Of Death ***
5. Kings & Queens
6. Song for Lorea
7. Animal Fat
8. Dark is What I Want / Strutters Ball ***
9. Gleaning
10. They Shoot Horses, Don't They
[ *** Anspieltipps ]
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